Berlin – Rund 1,15 Milliarden Euro haben allein die gesetzlichen Krankenkassen 2018 für kieferorthopädische Behandlungen ausgegeben. Hinzu kommen Tausende Eltern, die das Richten der schiefen Zähne ihrer Kinder aus eigener Tasche bezahlen.
Zum Beispiel bei einem leichten Überbiss oder einer Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen zahlt die Krankenkasse nicht. Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über den medizinischen Nutzen von Zahnspangen fehlen. Eine Bestandsaufnahme zu Brackets und anderen Möglichkeiten anlässlich des Tags der Zahngesundheit am 25. September:
Wann ist eine Zahnspange bei Kindern medizinisch notwendig?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, weil Untersuchungen fehlen, wie sich die Korrekturen langfristig auf die Gesundheit auswirken. Das geht aus dem Gutachten des IGES-Instituts hervor, das das Bundesgesundheitsministeriums nach Kritik des Rechnungshofes 2018 in Auftrag gegeben hatte. Dass Zahnkorrekturen Probleme wie Karies, Parodontitis oder Zahnverlust verringern, könne nicht belegt, aber auch nicht ausgeschlossen werden, heißt es darin. Die Krankenkassen richten sich nach den Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Dabei sind Gruppen 1 und 2 eher kosmetische Fehlstellungen, 3 bis 5 medizinisch behandlungsbedürftig. Die Kosten werden nur bei Kindern und Jugendlichen mit der Diagnose Gruppe 3 bis 5 übernommen, wenn die Patienten zwischen 10 und 18 Jahre alt sind.
Warum tragen so viele Kinder eine feste oder lose Klammer?
Nach Schätzungen befinden sich mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland in kieferorthopädischer Behandlung. Genaue Zahlen gibt es dazu nicht, die Datenlage ist undurchsichtig. Nach einer Befragung der hkk Krankenkasse von Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern geben oft ästhetisch-optische Gründe den Ausschlag für die Behandlung. Sie wollten «einfach besser aussehen» oder «wegen ihres schrecklichen Gebisses» nicht mehr gehänselt werden, lauteten Begründungen. Knapp die Hälfte gab an, dass sie vor der Behandlung keine Beschwerden mit ihrem Gebiss hatten.
Werden die Behandlungen immer teurer?
Nach Schätzung des Verbands der Ersatzkassen werden für eine kieferorthopädische Behandlung im Durchschnitt rund 3700 bis 4000 Euro von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die Eltern müssen einen Eigenanteil von 20 Prozent aufbringen, den sie allerdings am Ende der Behandlung erstattet bekommen. Laut dem IGES-Gutachten stiegen die Behandlungskosten, obwohl die Zielgruppe der 10- bis 18-Jährigen kleiner wird. Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) weist den Vorwurf hoher Ausgaben zurück. Die Kosten seien zwischen 2005 und 2016 um 25 Prozent gestiegen, dies entspreche anderen zahnärztlichen Leistungen.
Warum zahlen dann Eltern häufig trotzdem hohe Beträge dazu?
Nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung wünschen die Patienten immer häufiger Extra-Leistungen, die sie selbst bezahlen müssen. Die Klebeplättchen (Brackets) bei festen Klammern gibt es längst nicht mehr nur aus Metall, sondern auch aus Keramik oder Kunststoff, in Miniaturform oder fast unsichtbar in Zahnfarbe. Auch die herausnehmbaren Spangen gibt es in verschiedenen Design-Varianten, etwa mit regenbogenfarbener, glitzernder Gaumenplatte.
Welchen Erfolg haben Zahnspangen?
Die Iges-Studie, die internationale Studien auswertet hat, sieht Erfolge: Tatsächlich würden falsch stehende Zähne korrigiert – dies wirke sich auch positiv auf das Lebensgefühl aus. Die hkk-Befragung von rund 430 Jugendlichen ergab ebenfalls, dass 86 Prozent mit der Behandlung insgesamt sehr zufrieden oder zufrieden waren. Nach Angaben des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) belegen einzelne Studien auch den medizinischen Nutzen, etwa was Karies und Parodontitis angeht. Die Korrektur einer großen Stufe zwischen den oberen und unteren Schneidezähnen beuge dem Aufschlagen der Zähne bei Stürzen vor, sagte BDK-Chef Hans-Jürgen Köning.
Gibt es Risiken und Nebenwirkungen bei der kieferorthopädischen Behandlung?
In ganz seltenen Fällen trete eine Nickelallergie auf, sagt Köning. Probleme können entstehen, wenn die jungen Patienten nicht mitwirken. Das Zähneputzen bei einer festen Klammer ist weit aufwendiger und dauert länger. Dabei sollten spezielle kleine Bürsten zur Hilfe genommen werden. Wer dies vernachlässigt, dem drohen Zahnfleischentzündungen und Karies. Auch können weiße Stellen auf den Zähnen bleiben, wenn die Brackets wieder abgenommen werden. Es sei auch Aufgabe des Kieferorthopäden, bei den regelmäßigen Terminen die Jugendlichen zur Zahnpflege zu motivieren, betont der Verbandschef. Auch kann sich die Behandlung länger als die vorgesehenen etwa 1,5 Jahre hinziehen, wenn Patienten zum Beispiel die Gummis der festen Spange nicht 24 Stunden tragen.
Fotocredits: Stephanie Pilick
(dpa)