Köln – Wer «Tarzan» mag, dürfte Giulio Hesse lieben. Ohne zu wackeln schwingt er sich auf einen dicken Baumast und klettert auf allen vieren voran, Fuß vor Fuß, Hand vor Hand.
Es ist ein Sommerabend am Stadtwald von Köln. Im Schatten der Bäume ist es angenehm kühl, dennoch gerät man ins Schwitzen. Denn Hesse will, dass man es ihm nachtut. «Ihr müsst mit den Füßen fühlen», erläutert er die Motorik-Übung.
Hesse ist einer der beiden Trainer der
«Natural Athletes», einer Trainingsgruppe, die im Mai gegründet wurde. Das Konzept: Raus aus dem Fitnessstudio und ab auf die Wiese und in den Wald. Hesse und sein Kollege Norwin Stuffer haben das Trainingsprogramm entwickelt. Es kommt mit dem Nötigsten an Trainingsgerät aus. Ein Seil ist gespannt, ein anderes hängt wie eine Liane von einem Baum. Ansonsten wird das genutzt, was der Wald zu bieten hat: Bäume, Äste, Wurzeln.
Die Kölner lassen sich in ein Phänomen einreihen, das seit einiger Zeit zu beobachten ist: Draußen-Sport ist wieder angesagt, nicht nur die Klassiker wie Wandern. Vielerorts bilden sich kleine, neue Trainingsgruppen – die «Natural Athletes» sind bei weitem nicht die einzigen. Selbst von einer «Renaissance» des Trimm-Dich-Pfads – vielerorts stummer Zeuge der 70er Jahre – ist zu lesen.
Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule beschreibt eine ambivalente Entwicklung. Es gebe weiterhin einen großen Zulauf zu den Fitnessstudios – also nach innen. «Auf der anderen Seite gibt es Trends, die nach draußen gelagert sind.» Das habe mitunter ganz einfache Gründe: Draußen ist die Trainingsfläche kostenlos.
«Es gibt heute bestimmte Angebote, die auch gut nach draußen passen und die es früher so nicht gab», sagt Froböse. Er nennt etwa Parkour, eine Sportart, bei der Leute in der Stadt über Geländer springen und Mauern hochkraxeln.
Der Sport-Professor kann verstehen, warum Schwitzen unter freiem Himmel Leute anspricht. «Das Bewegen in der freien Natur ist von der ganzen Sensorik her ein viel intensiveres Erlebnis». Zudem erinnere es an das Spielen im Wald – und damit an Kindheit. Auch die Fitness-Branche habe bemerkt, dass sie auf derartige Trends reagieren müssen. «Früher war der Jogger der Feind des Fitnessstudios», sagt er. Heute bieten viele Studios selbst Laufgruppen an. Auch Michael Branke, Pädagogischer Leiter bei der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV), sagt, dass er in den vergangenen Jahre wieder eine Tendenz zum Draußen-Sport beobachtet habe.
Die beiden Kölner Studenten Norwin Stuffer und Giulio Hesse sprechen oft von kindlicher Neugier, wenn sie ihr Konzept beschreiben. «Wann bist du das letzte Mal auf einen Ast geklettert?», fragt Stuffer ein neues Trainingsmitglied. Dafür muss man ziemlich tief in Erinnerungen kramen. Klettern, Springen, Balancieren – Kinder machen das einfach. Erwachsene eher nicht. Und entwickeln seltsame Bewegungsabläufe. «Mir wird fast schlecht, wenn ich sehe, wie sich manche Leute bücken», sagt Hesse. Es geht den beiden darum, das Kind wieder zu wecken.
Das Aha-Erlebnis tritt im Kölner Wald ein, wenn man erstmals versucht, auf allen vieren auf einem am Boden liegenden Baumstamm zu balancieren – verdammt schwierig. Wenig später soll man sich an dem gespannten Seil über einen imaginären Fluss hangeln. Sieht bei «Indiana Jones» ziemlich locker aus, ist es aber nicht.
Eine Winter-Pause ist nicht geplant. «Da kann man noch ganz andere Sachen machen», sagt Stuffer. Zum Beispiel eine «systematische Schneeballschlacht».
Fotocredits: Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker,Marius Becker
(dpa)