Berlin – Erst Schnauze, Pfoten und Popo mit feuchten Tüchern reinigen lassen, dann das orangene Poloshirt mit den weißen Druckknöpfen anziehen. Danach stimmt die Hygiene und es kann losgehen: Pepita arbeitet beim Zahnarzt – als Therapiehund Doc Peppi.
Angst vor Bohrer oder Spritze? Die
Berliner Zahnärztin Birte Habedankkennt nach 15 Jahren Berufserfahrung viele Varianten davon – bei Erwachsenen und Kindern. Doch erst als sie vor vier Jahren eine Zusatzausbildung zur Traumatherapeutin machte, kam ihr die Idee mit einem Helfer auf vier Pfoten. «In den USA und Australien ist das beim Zahnarzt schon viel verbreiteter als bei uns», sagt sie. Sie selbst kannte Therapiehunde im medizinischen Bereich davor auch nur aus dem Pflegeheim. «Meine Oma war dement. Sie wusste nicht mehr, wer ich war. Aber den Hund fand sie toll.»
Ausbildung zum Therapiehund
Therapiehund trifft es dabei nicht ganz. «Offiziell heißt es Therapiebegleithund. Denn ein Tier kann ja weder eine Therapie noch pädagogische Arbeit anbieten», sagt Guido Huck aus dem Vorstand des
bundesweiten Vereins Therapiebegleithunde. «Im Prinzip kann das aber jeder Hund. Da kommt es nicht auf eine Rasse an», ergänzt er. Einzige Voraussetzung sei, dass der Vierbeiner auf Menschen nicht aggressiv reagiere – auch nicht, wenn er bedrängt werde.
Der Verein hat sich auf die Ausbildung von Hund und Halter im Medizinbereich spezialisiert. Zugelassene Berufsgruppen sind zum Beispiel Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Ärzte, Psychologen und Sonderpädagogen. Jedes Jahr gebe es nach 8 bis 18 Monaten Training 120 bis 150 Absolventen, berichtet Huck. Die Prüfungen seien nicht ohne. Sie umfassten auch eine Videodokumentation der Arbeit mit Hund, oft in einer Arztpraxis.
Huck hat schon eine Frauenärztin mit ihrem Chihuahua trainiert, dazu eine Pastorin, die mit ihrem viel größeren Hund Menschen im Gefängnis besucht. Auch Zahnärzte? Das sei im Verein bisher sehr selten, sagt Huck. Doch das Ziel sei immer das gleiche: Hunde reduzierten Stress. «Schon das Streicheln hilft dabei.» Und ein Hund werte nicht. «Auch nicht, ob man sich die Zähne putzt.»
Von Spanien ins Buchungsportal einer Berliner Praxis
Pepita ist ihre Karriere als Zahnarzthelferin nicht in die Wiege gelegt worden. Die zierliche braune Promenadenmischung mit flauschigen Mickymaus-Ohren kam vor rund sechs Jahren auf einer Müllkippe in Spanien zur Welt. «Kinder haben sie in Sicherheit gebracht», berichtet Zahnärztin Habedank. Vielleicht liegt es daran, dass die Hündin, die über die Vermittlung einer Tierschutzorganisation zu ihr kam, kleine Patienten besonders mag. Nur jünger als sechs sollten sie nicht sein. Habedank möchte, dass sie auch motorisch mit Peppi umgehen können.
In der Kinderzahnarztpraxis am Kurfürstendamm kann es so laut werden wie auf einem Spielplatz. Pepita lässt sich hier für eine Behandlung dazu buchen. Nach einem Kennenlern-Termin kostet das allerdings extra. «Die Krankenkassen haben noch keine Abrechnungsposition für Therapiehunde beim Zahnarzt», bedauert Habedank.
Auf ihre Patienten wartet Peppi schwanzwedelnd und mit echtem Hundeblick im Behandlungszimmer. «Sie ist wie ein Eisbrecher», sagt Habedank. «Es gibt Kinder, die wollen nicht mit mir reden. Aber Doc Peppi erzählen sie alles.»
Peppi auf dem Thron
Habedank hat ihre Hündin mehrere Monate lang an die Praxis gewöhnt, an all die fremden Gerüche und Geräusche bis hin zum Bohrer. Peppi ist geimpft, entwurmt und hat keine Flöhe. Auch sie macht eine Ausbildung zum Therapiebegleithund. Das maßgeschneiderte Shirt für ihre vierbeinige Assistentin findet Habedank ein bisschen albern. Doch Hygiene müsse eben sein. Hundehaare auf einem Zahnarztstuhl machten sich nicht so gut.
Linus ist neun Jahre alt und kommt zur Zahnreinigung. Statt eines steifen Spucktuchs um den Hals bekommt er im Zahnarztstuhl erst einmal eine flauschige Decke auf den Schoß gelegt. Und hopp sitzt Doc Peppi auch dort oben und lässt sich die Ohren kraulen. «Das ist voll gemütlich», sagt Linus. «Sie hat so ein weiches Fell.»
Der Flachbildschirm an der Decke, der sonst für Ablenkung sorgt, interessiert Linus nicht. Er lässt sich von Peppi die Hände abschlecken. «Zahnbehandlung mit Maniküre», scherzt Habedank. Doch nur für Patienten, die das mögen. Sonst reicht ein kurzes «nein», Doc Peppi gehorcht aufs Wort.
Ein Hund wie Peppi hilft vielen Angstpatienten
Linus erzählt, dass er früher ein bisschen Angst vorm Zahnarzt hatte, na ja, zumindest Respekt. Auch wenn seine Mutter selbst vom Fach ist. Hunde seien Linus auch suspekt gewesen, ergänzt seine Mutter Anne Linderhaus. Nun klappe eben beides. Sie selbst hat eine Hypnoseausbildung gemacht, um als Zahnärztin Angstpatienten zu helfen. Einen Hund wie Peppi hätte sie trotzdem gern, vor allem für autistische Kinder.
Linus erzählt im Zahnarztstuhl, dass Ballett sehr wohl etwas für Jungs sei, weil Tanzen Spaß mache. Genauso wie Schlagzeugspielen und Fußball. Dass er aber kein Fan mehr von Hertha BSC sei, «weil die so schlecht sind». Er finde jetzt Union Berlin gut. Und Frankfurt. Er gehe auch gern in den Zoo, noch lieber aber seien ihm aber Tiere in freier Natur, Löwen, Leoparden und so.
Zahnärztin Habedank versiegelt Linus‘ Zähne, wenn er gerade mal nichts sagt. Peppi döst reglos auf seinem Schoß. «Ist echt ne tolle Erfindung», sagt Linus. «Ich möchte auch einen Hund haben». Doch zu Hause gebe es Kater Filou. Der sei schon 19 – und fände einen Hunde-Mitbewohner vielleicht nicht so gut.
Habedank hat zu Hause noch einen Hund und ein Terrarium mit Vogelspinnen, Stabheuschrecken und Tausendfüßern. Sie möge alle Tiere, sagt die 41-Jährige. Ursprünglich habe sie Tierärztin werden wollen. Doch dann faszinierte sie die Zahnpflege bei Hunden so sehr, dass sie sich an der Uni umschrieb – für Zahnmedizin. Sie hat das nie bedauert. Einen Zahn würde sie Peppi dennoch nicht ziehen. «Da gehe ich zum Hundezahnarzt.»
Fotocredits: Fabian Sommer,Fabian Sommer,Fabian Sommer,Fabian Sommer
(dpa)