Österlicher Schokorausch bleibt teuer

Genf/San-Pédro – Ostern brummt das Schokoladengeschäft, die Saison schlägt Weihnachten: Rund 200 Millionen Schokohasen gegen 142 Millionen Nikoläuse und Weihnachtsmänner werden in Deutschland produziert.

«Der Schokohase muss sich ja nicht gegen Lebkuchen und Zimtstern behaupten», sagt der Geschäftsführer des
Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie, Torben Erbrath. Seit Mitte 2016 ist der Preis für eine wichtige Zutat, den Kakao, drastisch gefallen. Er kostet an den Rohstoffmärkten ein Drittel weniger. Kommen die Schokohasen nun als Schnäppchen daher?

«Mit einer Zeitverzögerung sollte sich das schon bemerkbar machen», sagt Analyst Daniel Bürki von der Zürcher Kantonalbank (ZKB). «Aber die Hersteller müssen ja erstmal ihre Lager abbauen.»

Der Schweizer Schokoriese Lindt & Sprüngli wiegelt ab, obwohl er eine Preiserhöhung von zwei Jahren mit dem damals steigenden Kakaopreis begründet hatte. Der Kakaoeinkauf funktioniere ja über Termingeschäfte, oft sechs bis neun Monate im Voraus, sagt Sprecherin Nathalie Zagoda. Kakaobohnen und -butter machten nur rund 20 Prozent des Preises aus. Der Rest, so der Schokoladenverband Chocosuisse, geht etwa für Zucker, Milch, Verpackung, Energie, Löhne drauf.

Bei den Kakaobauern, die die Bohnen unter schwierigen Bedingungen anbauen, kommen nach Berechnungen von
Fairtrade-Organisationen ganze sechs Prozent des Kaufpreises an. Ihre Situation verschlechtert sich nach Angaben der Europäischen Kampagne für faire Schokolade seit Jahren. In den 80er Jahren habe ihr Anteil noch 16 Prozent betragen.

Der jüngste
Preiseinbruch hat schon fatale Folgen. Bauer Georges Koffi Kouamé ist einer von zehntausenden kleinen Kakaobauern an der Elfenbeinküste, die das Land in Westafrika zum mit Abstand größten Kakaolieferer der Welt gemacht haben. Rund 40 Prozent des weltweiten Kakaos werden dort produziert.

Er zeigt Bäume mit schon abgestorbenen Blättern: «Wenn ich nicht schleunigst bezahlt werde, kann ich kein Insektenschutzmittel kaufen, dann gehen die Bäume alle ein», sagt er. Seine Abnehmer hätten nicht gezahlt, umgerechnet 4 600 Euro schuldeten sie ihm, sein halbes Jahreseinkommen, sagt der Familienvater (50) mit drei Kindern. Er bepflanzt fünf Hektar in der Nähe von San-Pédro an der Küste.

Im Hafen stehen 150 Lastwagen voller Kakaobohnen und warten seit Wochen auf Entladung. Aber die Verarbeiter weigern sich, den staatlich festgelegten Preis zu zahlen, weil Kakao an den Rohstoffbörsen weit billiger gehandelt wird. «Die Bohnen verrotten mir», sagt Fahrer Camara Beh (38). «Im Lkw können wir sie nicht vor Feuchtigkeit schützen.» Er verlangt Entschädigung von der Regierung, schließlich könne er seinen Lastwagen nicht anderswo zum Geldverdienen einsetzen.

Ein Überangebot mit Rekordernten steckt hinter dem Preisverfall, ebenso Spekulanten und womöglich Korruption. Ein staatlicher Auffangfonds, der Bauern in der Elfenbeinküste vor Spekulationen schützen soll, hat angeblich eine Viertel Million Euro ausgezahlt, aber bei den Bauern sei nichts angekommen, sagt der Präsident der Bauerngewerkschaft, Moussa Koné. «Die Regierung tut gegenüber dem Ausland so, als sei die Situation gelöst. Aber das stimmt nicht.»

An der Elfenbeinküste gibt es immer noch Kinderarbeit, auch auf den Kakaoplantagen, sagen Aktivisten. Lindt & Sprüngli kauft deshalb nur in Ghana, sowie Premiumsorten in Madagaskar und Südamerika. 76 Prozent des Kakaos kommen in der Schweiz aus Ghana. In 
Deutschlandkommen knapp 60 Prozent aus der Elfenbeinküste.

Nach Schweizer Erhebungen isst kein Volk der Welt so viel Schokolade wie die Deutschen. «Leider haben sie die Schweizer an der Spitze abgehängt», sagt der Präsident des Schweizer Schokoladenverbandes Chocosuisse. Statistiken sind immer schwierig: der eine zählt etwa nur die reine Schokolade, der andere alle Süßwaren mit Kakao, wieder andere auch weiße Schokolade. Bei sämtlichen Schokoprodukten stehen die Deutschen nach Schweizer Angaben mit gut elf Kilogramm pro Kopf im Jahr knapp vor den Schweizern.

Fotocredits: Roland Weihrauch
(dpa)

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