Muss eine Berufsunfähigkeitsversicherung wirklich sein?

Berlin – Im Schnitt trifft es Arbeitnehmer mit 47 Jahren. Das ist zumindest das Durchschnittsalter, in dem Beschäftigte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten, hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ermittelt.

Die Ergebnisse basieren auf einer Teilerhebung unter GDV-Mitgliedsunternehmen für das Jahr 2015. Die Gründe, warum Beschäftigte nicht mehr arbeiten können, sind vielfältig. Bei Frauen sind laut GDV psychische Erkrankungen mit einem Anteil von 30 Prozent die häufigste Ursache. Bei den Männern führen psychische Erkrankungen (22 Prozent) etwa genauso häufig zur Berufsunfähigkeit wie Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats (21 Prozent). Auch Krebserkrankungen sind ein häufiger Grund.

Keine Frage: Berufsunfähigkeit ist ein gravierendes Problem. Wer mitten im Berufsleben steht und dauerhaft nicht mehr arbeiten kann, verdient auch kein Geld mehr. «Der Staat sorgt an dieser Stelle nicht mehr ausreichend für die Betroffenen», erklärt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Denn die
Erwerbsminderungsrente, die den Berufsunfähigen dann zusteht, deckt nur einen Teil des Einkommens ab.

Kaum verwunderlich ist also, dass viele Verbraucher eine
Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen haben. Die GDV-Statistik weist für das Jahr 2016 4,3 Millionen Hauptversicherungen sowie 12,6 Millionen Zusatzversicherungen aus.

Der Haken der BU: Eine Police ist nicht preiswert. «Je risikoreicher der Beruf, desto teurer ist die Absicherung», erklären die Experten der Stiftung Warentest in der Zeitschrift «Finanztest» (Heft 7/2017). Ein Industriemechaniker zum Beispiel müsste bei einem Eintrittsalter von 25 Jahren 894 Euro pro Jahr zahlen, um einen sehr guten Vertrag zu bekommen, der ihm im Ernstfall eine monatliche Rente von 1500 Euro zusichert. Pro Monat ergibt das einen Beitrag von 74,50 Euro.

Aus Sicht von Dirk Ulbricht ist die Absicherung des Risikos Berufunfähigkeit damit zu teuer erkauft. «Bei der BU geht es um eine reine Statusabsicherung», sagt der Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. Denn die Versicherung solle verhindern, dass die Betroffenen im Ernstfall Abstriche an ihrem Lebensstandard machen müssen. «Ob ich die Versicherung wirklich in Anspruch nehmen muss, weiß ich ja gar nicht.»

Selbst wenn der Fall der Berufsunfähigkeit eintritt, seien Betroffene durch das Krankengeld zunächst eine Zeit lang finanziell abgesichert. «Oft sind die Betroffenen ja nicht ihr Leben lang nicht mehr in der Lage zu arbeiten, sondern nur zeitweise», gibt der Volkswirt zu bedenken. Viel wichtiger aus seiner Sicht ist der Aufbau eines ausreichenden finanziellen Polsters für die Altersvorsorge.

Die Rechnung, die Ulbricht hier aufmacht, ist einfach: Legen Verbraucher in guten Zeiten genügend Geld zur Seite, können sie Zeiten der Berufsunfähigkeit mit diesen Mitteln überbrücken.

Ein weiterer Vorteil dieser Lösung: An ihre eigenen Rücklagen kommen Betroffene im Prinzip jederzeit heran, während die Versicherung erst prüft, ob die Leistung auch wirklich ausgezahlt wird. Laut
GDV entscheiden die Versicherer darüber zwar im Schnitt innerhalb von 13 Tagen, wenn alle Unterlagen vorliegen. Doch die Zusammenstellung der Unterlagen kann durchaus länger dauern: Für die komplette Leistungsprüfung vom Eingang des Leistungsantrags bis zur Entscheidung vergehen im Durchschnitt 101 Tage.

Bianca Boss sieht das anders: «Vorzusorgen, indem Sie selbstständig sparen, ist schwierig», findet die Versicherungsexpertin. Denn oft legten Verbraucher nicht genug Geld beiseite, um auch längere Zeiten der Berufsunfähigkeit zu überbrücken. «Außerdem wissen Sie nicht, wie viel Zeit Sie zum sparen haben», sagt Boss. «Berufsunfähigkeit kann Sie theoretisch jederzeit treffen.»

Fotocredits: Cathrin Müller,Bund der Versicherten e.V.,Falk Zielke
(dpa/tmn)

(dpa)

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