Berlin (dpa/tmn) – Jedem soll vor Gericht Gerechtigkeit widerfahren. Doch die Frage, ob bei Strafprozessen ein Angeklagter schuldig ist oder nicht, ist nicht einfach zu klären. Um zu einem fairen Urteil zu kommen, stehen den Richtern Schöffen zur Seite.
«Das sind Laienrichter, die über kein juristisches Fachwissen verfügen, aber Alltagserfahrungen und Menschenkenntnisse mitbringen». Das erläutert Hasso Lieber vom
Bundesverband der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter – Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen. «Das Zusammenwirken von Laien- und Berufsrichtern bei Gerichtsverfahren soll zu einer Rechtsprechung beitragen, die lebensnah ist und das Vertrauen der Bürger in die Justiz stärkt und erhält», betont Detlef Feige vom NRW-Justizministerium. Pro Verfahren gibt es einen bis drei Berufs- sowie zwei Laienrichter. Sie sind gleichberechtigt. Für Lore Sprickmann Kerkerinck vom
Deutschen Richterbund sind Schöffen ein wichtiges Element des demokratischen Rechtsstaates: «Sie sind ein Bindeglied zwischen Staat und Bürger.»
Rund 61 000 Schöffen gibt es in Deutschland. Gewählt sind die Ehrenamtlichen für fünf Jahre, die aktuelle Amtszeit endet zum 31. Dezember 2018. Nur Frauen und Männer zwischen 25 und 70 Jahre mit deutscher Staatsangehörigkeit und ohne Vorstrafen dürfen Schöffen werden. Schöffen müssen sich bei einer Verhandlung ein Bild machen über Sachverhalte. Also gehört es zu ihren Rechten, Fragen an Angeklagte, Zeugen oder Sachverständige zu stellen. Rechtliche Probleme oder juristische Begriffe müssen ihnen erläutert werden.
Schöffen dürfen in die Akten einsehen, wenn es für die Urteilsfindung nötig ist, etwa wenn bei abgehörten Telefonaten die schriftliche Übersetzung mitgelesen werden kann. Und zu den Pflichten der Ehrenamtlichen gehört in erster Linie, bei den Sitzungen präsent zu sein. «Sie müssen dabei absolut unparteiisch sein», betont Lieber.
«Schöffen müssen vor allem auch den Mut haben, gegebenenfalls zu einer anderen Einschätzung der Lage der Dinge zu kommen wie der Berufsrichter», hebt Lieber hervor. In geheimer Beratung bereiten Berufsrichter und Schöffen das Urteil vor. Über die Schuldfrage sowie Art und Dauer der Strafe wird mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgestimmt. Gegen beide Schöffen kann niemand verurteilt werden, beim Amtsgericht und in der Kleinen Strafkammer des Landgerichts der Berufsrichter sogar von den Schöffen überstimmt werden.
Pro Jahr kann ein Laienrichter zu bis zu zwölf Verfahren herangezogen werden. Allerdings: Für einen Schöffen besteht bei jeder Sitzung Anwesenheitspflicht. Ist er verhindert, muss er dies rechtzeitig vor Beginn der Verhandlung mitteilen. Im Laufe der Verhandlung ist ein Austausch der Schöffen nicht mehr möglich. Fehlt ein Schöffe unentschuldigt oder findet er sich unentschuldigt nicht rechtzeitig ein, droht ein Ordnungsgeld von bis zu 1000 Euro.
Wer Interesse hat, kann bei seiner Gemeinde eine Bewerbung einreichen. Es kann aber auch sein, dass einem die Tätigkeit von amtlicher Seite angetragen wird. «Dem kann man sich nur bei triftigen Gründen entziehen», sagt Feige. Zum Beispiel kann ein Firmeninhaber das Amt ablehnen, wenn er nachweisen kann, dass ohne ihn sein Geschäft nicht laufen würde. Ansonsten müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten für das Schöffenamt freistellen. Die Laienrichter erhalten für ihre Tätigkeit keine Vergütung, ein Verdienstausfall wird aber erstattet. Außerdem gibt es eine Aufwandsentschädigung in Höhe von sechs Euro pro Stunde plus Fahrtkostenerstattung.
Gewählt werden Schöffen bundesweit einheitlich. Erst erstellt die Gemeinde eine Vorschlagsliste. «Diese Listen aller Gemeinden gehen an das zuständige Amtsgericht», erläutert Liebe für die nächsten fünf Jahre. Neuwahlen stehen 2018 an, die Amtszeit beginnt 2019.
Service:
Hasso Lieber/Ursula Sens: Fit fürs Schöffenamt – Eine Orientierungshilfe zur gleichberechtigten Teilnahme an der Hauptverhandlung (2 Bände), Berliner Wissenschafts-Verlag, Band 1: Aufgaben, Rechte und Pflichten der Schöffen, 18,90 Euro, ISBN-13: 978-3-8305-3274-3, Band 2: Das Strafverfahren: Grundlagen, Beweisaufnahme, Strafen, 18,90 Euro, ISBN-13: 978-3-8305-3292-7
Peter Bader/Roger Hohmann/Harald Klein: Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, Verlag C.F. Müller, 39,95 Euro, ISBN-13: 978-3-8114-7014-9
Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)