Frankfurt/Main – Über Geld spricht man einer Redewendung zufolge bekanntlich nicht. Ähnlich ist es auch beim Trinkgeld, das in Deutschland von einer Vielzahl von Konventionen bestimmt wird. Diese sind aber nicht eindeutig definiert – und sorgen damit oft für Irritationen.
Das fängt schon damit an, dass keiner genau weiß, was das Servicepersonal in Restaurants oder Bars an Trinkgeld bekommt. Fragt man die Empfänger, dann gehen diese von zehn Prozent aus. Die Gebenden wiederum sprechen gerne von fünf bis zehn Prozent – oder runden mit einem freundlichen «Stimmt so» einfach auf. Dies haben Forscher im Fach Wirtschaftssoziologie an der Universität Frankfurt herausgefunden.
Unter Anleitung von Professor Christian Stegbauer haben Studierende in einem Forschungsseminar in ausführlichen Interviews rund 40 Kellner und Gäste befragt. Dabei wurde Wert auf einen Querschnitt gelegt – vom Café über die Bar bis zum teuren Restaurant.
Schwerpunkt war dabei, wonach sich die Gäste beim Trinkgeld richten. «Das hat oft nichts mit der Qualität des Restaurants zu tun. Es geht vielmehr um die Beziehung der Gäste untereinander», sagt Stegbauer.
So hat das Seminar festgestellt, dass sich Gruppen beim Trinkgeld stark aneinander orientieren. Jede Gruppe entwickelt dabei ihr eigenes Ritual. Wenn man sich einigermaßen gut kennt, legt man beim Zahlen oft zusammen. Bei der Höhe des Trinkgelds wird dann geschaut, wer was gibt. Diskutiert wird über die Höhe des Trinkgelds aber meist nur, wenn die Beziehungen wie etwa unter guten Freunden oder in der Familie sehr eng sind.
Ganz schlecht kommt an, wenn zum Beispiel unter Arbeitskollegen der Chef weniger Trinkgeld gibt als seine Untergebenen. Das kann dann auch noch am Tag danach für viel Gesprächsstoff im Betrieb sorgen – so ein weiteres Ergebnis aus den Interviews.
Der Einfluss der Gruppe scheint beim Trinkgeld also immens. «Wenn man großzügig sein will, muss man nur die eigene Gruppe übertrumpfen und sonst niemanden», sagt Stegbauer. Verblüffend sei, dass viele dennoch behaupteten, sie ließen sich beim Trinkgeld vom eigenen Umfeld nicht beeinflussen.
Nicht verwunderlich ist dagegen, dass beim ersten romantischen Date besonders viel Trinkgeld fließt. Schließlich geht es darum, bei der Partnerin oder dem Partner im Restaurant einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Daneben ist das Trinkgeld aber immer auch ein wichtiges Signal in der Kommunikation zwischen Gast und Servicekraft. Der Flirt-Faktor kann laut Seminar bei den Geschlechtern in beiden Richtungen eine Rolle spielen: Auf Körperkontakt sei ein Gast aus, wenn er der Bedienung das Geld in die Tasche stecke. Den Faktor könnten sich auch Kellnerinnen mit bestimmter Kleidung und entsprechendem Lächeln zunutze machen, hieß es.
Manchmal sogar mit Anweisung, wie die Interviewer herausgefunden haben: Eine weibliche Servicekraft wurde demnach von einem Wirt dazu angehalten, den älteren Herrschaften doch immer wieder mal den Arm auf die Schulter zu legen. Aber auch Kellner könnten beim weiblichen Geschlecht einiges an Trinkgeld herausholen.
Das Trinkgeld kann neben einem adäquaten Service zudem auch der gerechte Lohn für ein prima Essen sein. «Vieles wird dabei auf den Geldbetrag reduziert», sagt Stegbauer. Soll heißen: Gesprochen wird über die Qualität des Essens meist nicht so gern mit der Servicekraft – vor allem wenn es schlecht war. «Selten wird da die Wahrheit gesagt», weiß der Soziologe.
Wo landet aber letztlich das Trinkgeld? Nur bei der Servicekraft oder am Ende doch beim Wirt? Das Seminar hat in den Interviews alle möglichen Formen gefunden. Oft wird das Geld auch mit der Küche geteilt.
Trinkgelder gelten, wenn sie als Anerkennung des Services ans Personal gehen, als steuerfrei. Wenn es nicht so üppig ausfällt, ist es für die Servicekräfte aber immer auch Anlass, über die Gäste zu lästern. Auch dies ist ein Ergebnis der Studie.
Fotocredits: Stephanie Pilick
(dpa)