Wie man ein Rock-Star auf YouTube wird

Bamberg – Um Erfolg auf YouTube zu haben, muss man Dinge machen, die normale Menschen nicht tun – mit dieser Überzeugung kommt Annemarie Sommer in einen Seminarraum. Als die 15-Jährige wieder geht, weiß sie: Auf YouTube zum Star werden geht auch ohne gutes Video – wenn man das richtige Netzwerk hat.

«How to become a rock star on YouTube» – mit dem Workshop locken Forscher von der Universität Bamberg Teenager mit dem großen Traum – und wollen dabei die Macht der Daten entlarven.

Der Content kann noch so geil sein – wenn ein Video nicht gesehen wird, bringt das rein gar nichts. «Erfolg auf YouTube hängt vom Inhalt ab – aber auch davon, wie vernetzt man ist und mit wem», erklärt Kai Fischbach, der Dekan für Wirtschaftsinformatik, der die Workshops leitet. «Wenn man nur zwei Follower hat, die aber Barack Obama und Bill Gates sind, und die einen empfehlen, geht’s auch.»

Die Mechanismen von Erfolg und Misserfolg – sie sind die eine Botschaft an die Zehntklässler, die an einem Nachmittag an der Uni sitzen. Die andere lautet: «Man lernt hier viel fürs Leben – denn wir alle hinterlassen ja einen Datenschatten», sagt Fischbach. Daten seien mächtig, und die Wissenschaft soll das zeigen.

Weil die Fans eine enge Bindung an ihre Stars empfinden, seien deren Produktempfehlungen im Sinne von Mundpropaganda höchst wirkungsvoll, wie die Medienforscherin Nicola Döring von der Technische Universität Ilmenau in einer Fachzeitschrift für Medienpädagogik schreibt. «Wenn eine beliebte Beauty-YouTuberin einen neuen Lippenstift lobt oder ein bekannter Fitness-YouTuber einen bestimmten Eiweiß-Shake empfiehlt», schreibt Döring, «dann laufen Tausende von Jugendlichen los, um genau diese Produkte zu kaufen.»

Mehr als
eine Milliarde Nutzer hat YouTube nach eigenen Angaben. Sie spielen – jeden Tag – Videos mit einer Gesamtdauer von mehreren hundert Millionen Stunden ab und generieren Milliarden Aufrufe. Diese Nachfrage schafft einen Markt – und Stars. Große wie PewDiePie oder solche, die in Deutschland als groß gelten wie das singende Comedy-Trio Y-Titty, Sami Slimani oder Bibi mit ihren Beauty-Tipps.

So einer will Paul Pieczyk (16) nicht werden, sagt er. Oder nur ein bisschen: «Ich wollte schon immer bekannter werden – weil es mir Spaß macht, wenn ich gute Sachen mache für Leute, denen genau das gefällt.» Er ist YouTuber, macht als «Mcquasi» Gaming-Videos. 300 Follower hat er. «Als ich noch unter 100 hatte, wollte ich die 100 erreichen», sagt er. «Jetzt wären es die 500.» Mehr Abonnenten seines Kanals bedeuten eine größere Reichweite – und das bedeutet für ihn: «Dann kann man auch mit anderen Leuten was machen, auch mal wo mitmachen.» Bei bekannteren Gaming-YouTubern.

Genau das wiederum ist den Bamberger Wissenschaftlern zufolge ein guter Weg, um erfolgreich zu werden auf YouTube. Gute Kameras und Beleuchtung, HD-Qualität und professioneller Schnitt reichen jedenfalls nicht. Essentiell ist, sich zu vernetzen mit Kanälen, die wiederum viele oder sehr wichtige Abonnenten haben. Fischbach und seine Kollegen nutzen die Popularität der Plattform, um Jugendliche in Workshops für die Forschung zu begeistern – und ihnen Problembewusstsein zu geben. Denn Unternehmen denken, erklärt er, sehr viel drüber nach, welche Kanäle sie bedienen müssen, um mit ihrem Marketing erfolgreich zu sein. Die Daten und wissenschaftliche Methoden erlauben es, vorauszusagen, wer oder welches Thema in ein paar Wochen groß wird – wer die kommenden Stars sind.

Aber nur für eine winzige Minderheit der jugendlichen und erwachsenen Videoproduzierenden wird YouTube zum Hauptberuf werden, schreibt Medienpädagogin Döring. Sie sieht eine Gefahr: Neulinge starteten mit überzogenen und falschen Erwartungen an schnellen finanziellen Erfolg und Internet-Ruhm, erklärt Döring. Und dann werden sie enttäuscht.

Dabei wissen Jugendliche äußerst wenig über die Geschäftsmodelle in sozialen Netzwerken, wie eine Studie des JFF-Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis zeigt. YouTube-Stars funktionierten aber anders als Film- oder Musikstars, erklärt der Forschungsleiter des Instituts, Niels Brüggen. Denn sie wirkten lebensnaher und eigneten sich deshalb noch besser zur Identifikation und als Vorbild. «Dass der Erfolg aber nicht selbstgemacht ist oder kommt, weil diese Personen so nett sind, sondern dass da Agenturen dahinter stecken – das ist gut, wenn man das durchblicken kann.»

Mehrere Stunden pro Tag schaut Annemarie Videos auf YouTube, die von LeFloid zum Beispiel. Die Wirtschaftsinformatiker fragen: Welche YouTuber verbinden Nutzergruppen miteinander – und warum? Was machen sie, um ihre wichtige Position zu bekommen? Annemarie findet das spannend. «Mich interessiert, ob alle in so einem Netzwerk der gleichen Meinung sind – oder ob sie da zufällig sind.» Sie will YouTube verstehen, sagt sie, und «wie gläsern man ist.»

Fotocredits: Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer,Nicolas Armer
(dpa)

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