Fürth – Früher oder später will fast jedes Kind bei einem Freund oder einer Freundin übernachten. Zu erleben, wie es in anderen Familien zugeht, fördert die Entwicklung, sagen Experten. Eltern sollten im Vorfeld einige Dinge klären – aber bloß nicht alles durchplanen.
Mit wie vielen Jahren können Kinder woanders schlafen?
Das Alter ist nicht ausschlaggebend. Wichtiger ist die Frage, wo das Kind übernachtet und ob es Erfahrungen damit hat: Hat es schon einmal bei Oma und Opa geschlafen, bevor es zur Kita-Freundin geht? Übernachtet es beim Nachbarskind, bei dessen Familie es täglich ein- und ausgeht? «Es gibt Fünfjährige, für die ist es völlig normal, woanders zu schlafen, und andere, die tun sich damit schwer», erklärt Ulric Ritzer-Sachs von der Online-Beratung der
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Das hängt auch davon ab, wie normal das Auswärts-Nächtigen in einer Familie ist.
Woran merke ich, dass mein Kind bereit dafür ist?
Die Pädagogin Heidemarie Arnhold rät Eltern, zu schauen, wo ihr Kind entwicklungspsychologisch steht: «Fremdelt es gerade stark, ist das kein guter Zeitpunkt», sagt die Vorsitzende des
Arbeitskreises Neue Erziehung (ANE) in Berlin. «Wenn Kinder den Wunsch äußern, woanders zu schlafen, dann sind sie auch alt genug dafür.» Wichtig ist, dass die Initiative vom Kind ausgeht: «Niemand sollte sein Kind drängen, woanders zu übernachten», sagt der Familienberater
Jan-Uwe Rogge. Wenn Sohn oder Tochter es jedoch wünschen, sollte man darauf eingehen.
Bei wem kann ich mein Kind übernachten lassen?
«Die zentrale Frage ist: Haben Sie Vertrauen zu dieser Person oder Familie?», sagt Arnhold. Gut sei, wenn man die Leute bereits kenne – aus Sportverein, Nachbarschaft, Kindergarten oder Schule. Immerhin gibt man die Aufsichtspflicht an andere ab. «Das ist nichts, was man schriftlich festhalten muss, aber man sollte es sich klarmachen», sagt Arnhold. Eltern brauchen ein gutes Gefühl: Sind sie verrückt vor Sorge, steckt das die Kinder an.
«Ich sollte mich aber auch mal hinterfragen», gibt Ritzer-Sachs zu bedenken. «Bin ich vielleicht übervorsichtig?» Arnhold ergänzt: «Fragen Sie sich, warum Sie ein ungutes Gefühl haben. Geht es zum Beispiel um Sauberkeit, kann man auch mal ein bisschen toleranter sein.» Hat man aber kein Vertrauen zu den anderen Eltern oder sieht gar das Kindeswohl in Gefahr, sei das ein Grund, das Übernachten nicht zu erlauben.
Was müssen Eltern im Vorfeld klären?
Laut Rogge sichern sie ihrem Kind am besten zu, dass es immer anrufen kann. «Und geben Sie ihm etwas Vertrautes mit, ein Kuscheltier, das Lieblingskissen», rät der Buchautor. Arnhold empfiehlt, das Übernachten durch gemeinsame Aktivitäten vorzubereiten. Besprechen sollten Eltern Besonderheiten, etwa ob ein Kind Allergien oder Unverträglichkeiten hat oder Tabletten einnehmen muss. «Bei allem anderen würde ich mich nicht einmischen.» Ritzer-Sachs rät: «Reden Sie vorher mit den anderen Eltern. Fragen Sie sie, was Sie Ihrem Kind mitgeben müssen, etwa einen Schlafsack, und tauschen Sie Nummern aus.» Das reiche dann aber auch. «Inspizieren Sie nicht vorher die Wohnung!»
Wie schaffen es Eltern, gelassen zu bleiben?
«Man muss nicht alles bereden», sagt Rogge. «Kinder finden andere Eltern toll, eben weil sie anders sind.» Laut Arnhold ist es wichtig, wenn Kinder erleben, dass etwas anders sein kann als zu Hause: «Das auswärtige Übernachten ist wunderbar für die Entwicklung.» Kinder sammeln mit unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Erfahrungen. Wenn das Kind später schlafen geht oder Fast Food zu essen bekommt, ist das laut Ritzer-Sachs kein Drama: «Hauptsache, die Familie ist kinderfreundlich, und die Kinder haben Spaß. Alles andere ist dann eben mal anders.»
Andersherum müssen Eltern keinen Aufwand betreiben, wenn sie ein Gastkind zu Hause haben: «Leben Sie einfach Ihr normales Familienleben weiter», sagt Arnhold. Eltern sollten das gegenseitige Übernachten als Entlastung betrachten: «Freuen Sie sich, wenn Ihr Kind mal woanders schläft, und genießen Sie die Zeit.» Allen ist geholfen, wenn es zu einem Geben und Nehmen wird.
Was tun bei Zoff, Heimweh oder Krankheit?
Streiten die Kinder, gilt es abzuwägen, ob man einschreiten muss. «Sie können fragen, was passiert ist, und vermitteln. Meist vertragen Kinder sich aber schnell wieder», sagt Ritzer-Sachs. Anders sieht es aus, wenn ein Kind Heimweh bekommt. Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt: «Trösten Sie es, nehmen Sie es in den Arm, geben Sie ihm ein Kuscheltier», rät der Experte. «Und wenn es gar nicht anders geht, lassen Sie es seine Eltern anrufen.» Wird ein Kind krank, kommt es auf die Situation an: «Sind seine Eltern verreist, muss man damit leben. Ist es das Nachbarskind, und die Eltern sind da, kann man es zurückbringen», sagt Arnhold. Denn kranke Kinder wollen meist nur eines: bei ihren Eltern sein.
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(dpa/tmn)