Bielefeld – Schwere Operationen oder Infekte können vor allem bei älteren Menschen ein Delir auslösen. Die Betroffenen sind verwirrt, urplötzlich müde oder so hyperaktiv wie nie zuvor.
«Die Ursachen für ein Delir können unterschiedlich sein und es kann sich relativ breit im klinischen Bild zeigen», sagt Stefan Kreisel, ärztlicher Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Evangelischen Klinikums Bethel in Bielefeld. Er leitet dort das Programm help+, das Deliren vorbeugen soll.
Symptome schwanken zwischen Extremen
«Es gibt mehrere essenzielle Merkmale eines Delirs», erklärt Kreisel. «Es treten Symptome auf, die vorher nicht vorhanden waren – und zwar akut und nicht schleichend wie bei einer Demenz.» Der Zustand des Patienten verändert sich in kurzer Zeit und fluktuiert im Laufe eines Tages: «Mal wirken die Patienten ganz klar, dann sind sie plötzlich weggetreten und kaum noch ansprechbar», schildert Kreisel. Wichtig ist dann zunächst, dass die Symptome überhaupt jemand bemerkt. «Vor allem bei eher in sich gekehrten, apathisch wirkenden Patienten wird ein Delir oft übersehen.»
Deshalb gibt es in vielen Krankenhäusern eigene Präventionsprogramme. Für ältere Patienten kann es sich lohnen, bei der Wahl des Behandlungsortes darauf zu achten. Denn ihr Delir-Risiko ist besonders hoch.
Die Operation als Auslöser
Ein Delir entwickelt sich durch einen Auslöser – das kann ein operativer Eingriff sein, ein anstrengender Krankenhausaufenthalt oder auch eine Infektion. Wie oft ein Delir auftritt, ist unklar. «Die Spanne reicht über alle Krankenhauspatienten hinweg von 5 bis 35 Prozent», sagt Markus Schmitz, Chefarzt der Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios Klinikum Duisburg. «In den Risikogruppen, also bei Patienten über 65 Jahren oder Patienten mit Demenz, findet sich teilweise eine Delir-Häufigkeit von bis zu 70 Prozent.»
«Im Vordergrund sollte die Optimierung der Orientierungsfähigkeit stehen, damit sich die Patienten besser zurechtfinden», sagt Schmitz. Je schneller Patienten wieder in ihr vertrautes Umfeld entlassen werden können, desto hilfreicher sei es. Ambulante Eingriffe seien deshalb oft die beste Wahl.
Vorbeugend und nach der OP den Patienten mobilisieren
«Nach Operationen ist das oberste Ziel, eine möglichst rasche Mobilisierung zu erreichen», sagt Schmitz. «Hierzu müssen gerade ältere Menschen aktiv angehalten werden.» Denn die gewohnte Umgebung und eine gute Orientierung der Patienten können dazu beitragen, dass die Symptome nachlassen. In der Regel verschwinden sie spätestens nach einigen Wochen von selbst. Ein Delir kann in Ausnahmefällen aber auch zu anhaltenden kognitiven Problemen führen – vor allem, wenn es unerkannt bleibt.
Auch im Franziskus-Hospital in Münster gibt es spezielle Maßnahmen, um einem Delir möglichst gut vorzubeugen und schnell auf dessen Auftreten zu reagieren: Bei Risikopatienten wird nach Eingriffen zum Beispiel ein Delir-Screening durchgeführt. «Dabei werden Patienten auf das Vorliegen kognitiver Einschränkungen untersucht», erklärt Simone Gurlit, Oberärztin in der Abteilung für Perioperative Altersmedizin. «Außerdem ist es sehr wichtig, alle eingenommenen Medikamente zu erfassen.»
Patientenprofil erlaubt individuelles Narkosemanagement
Denn nur bei einem umfassenden Bild ist es möglich, besondere Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen. «Wenn ein erhöhtes Delir-Risiko besteht, kann man das beim Narkosemanagement berücksichtigen«, sagt Gurlit. Die Maßnahmen dazu würden individuell zugeschnitten.
Beruhigungsmittel bekommen die Patienten nicht. Stattdessen soll eine enge Betreuung durch eine Pflegekraft die Angst vor der Behandlung nehmen. «Es ist wichtig, den Patienten möglichst wenig zu ängstigen – denn Stress und Angst sind große Faktoren bei der Entstehung eines Delirs.»
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(dpa/tmn)