Berlin – Ein Tampon voller Blut. Oder eine Binde. Die Angst, vor einem roten Fleck auf der Hose. Eklig? Ungewohnt? Normalerweise reden wir darüber nicht. Und das, obwohl Milliarden von Menschen einmal im Monat damit zu tun haben. Genau genommen Frauen. Sie bluten, sie haben ihre Periode.
Das handhaben sie in der Regel so, dass es keiner mitbekommt. Sie nehmen Schmerztabletten gegen Unterleibsschmerzen. Sie lassen auf dem Weg zur Toilette mit geübtem Griff den Tampon in der Hosentasche verschwinden – oder umschließen ihn fest mit der ganzen Hand. Selten bricht jemand aus diesem Muster aus. So etwa
Kiran Ghandi, die in London vor einigen Jahren ohne Binde oder Tampon einen Marathon lief. Das Blut lief ihr die Beine herunter – in aller Öffentlichkeit. Doch eigentlich lassen Frauen die monatliche Quälerei still und heimlich über sich ergehen – als gebe es diese Menstruation gar nicht.
Das wollen zum Beispiel die Goalgirls ändern. Die Berliner Kreativagentur stellt in diesem Sommer auf Festivals wie etwa dem «Melt» in Sachsen-Anhalt sogenannte Red Tents – also rote Zelte – auf. In den Menstruationszelten gibt es Workshops zum Zyklus, Festivalbesucherinnen mit Periode bekommen kostenlose Hygieneprodukte oder können Bloody Mary trinken. «Es geht um Blut, um Ausfluss, um Sex auf eine gewisse Art und Weise. Das ist alles mit einem Stigma behaftet», sagt Katharina («Kaddie») Rothe von Goalgirls. Ihr und ihren Mitstreiterinnen geht es um Aufklärung und den Kampf gegen dieses Stigma – darum die Blutung, als etwas Positives zu zelebrieren.
Rothe fordert, dass Periodenprodukte umsonst sind. Und sie ist sich sicher: «Wenn Männer menstruieren würden, dann gebe es auf jeder Toilette kostenlose Tampons.» In Deutschland sind Tampons oder Binden alles andere als kostenlos. Auf sie zahlen Frauen auch nicht den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, der etwa für Grundnahrungsmittel oder Bücher gilt. Stattdessen werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig.
Frauen können in ihrem Leben mehr als 400 Mal ihre Periode bekommen. Das heißt, sie verbrauchen Tausende Tampons oder Binden – und zahlen dafür je nach Stärke und Länge der Periode sowie Marke des Produkts locker an die 2000 Euro im Leben. Die Aktivistin Penelope Kemekenidou hat deshalb vor einigen Jahren eine
Petition zur Senkung der «Tamponsteuer» in Deutschland ins Leben gerufen.
Mit Stand 11. Juli haben mehr als 75.000 Menschen unterzeichnet. In Deutschland reagierten viele mit Unverständnis auf Kemekenidous Petition, erzählt sie: «Haben wir nicht andere Probleme?», hieß es oft – ein Klassiker. In Kanada und Kenia hingegen wurden steuerliche Abgaben auf Damen-Hygieneprodukte abgeschafft.
Ebenfalls problematisch sieht sie das Bild von Frauen in der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Periode. «Das hat dann immer gleich was Hysterisches.» Als Beispiel nennt sie die US-Journalistin Megyn Kelly und Donald Trump, damals noch Präsidentschaftskandidat. Er mochte ihre Fragen in einem Interview nicht – und erklärte später: «Man konnte sehen, dass Blut aus ihren Augen kam, Blut aus ihr… woher auch immer.» Später schrieb er dann auf Twitter, er habe natürlich ihre Nase gemeint.
Doch nicht nur herablassende Kommentare sind ein Problem. «Auch die Schmerzmittelindustrie verdient an der Menstruation», moniert Kemekenidou. «Und viele Frauen nehmen die Pille nur, um ihre Periode besser steuern zu können.» Sie fordert mehr feministische Bildung an Schulen – in der es auch um medizinische Risiken von Pille und Tampon geht. Und: «Es kann nicht sein, dass ich mit 25 Jahren nicht richtig weiß, wie mein Zyklus funktioniert», sagt sie. «Wissen ist Macht.»
Apropos Wissen: «Im Laufe der Jahrhunderte haben sich Männer unzählige Geschichten über die Menstruation und das Unheil, das Frauen damit angeblich anrichten, ausgedacht», sagt Heike Kleen, Autorin von «Das Tage-Buch». Da hieß es, dass Bienen sterben, Spiegel matt werden, Frauen mit Periode kein rohes Fleisch anfassen dürfen. Auch Fotos entwickeln und Sahne schlagen waren tabu. «1000 Jahre haben Frauen gelernt, dass sie unrein sind – das mit ihnen etwas nicht stimmt», erklärt Kleen. Kein Wunder, dass das Thema heute immer noch mit einem Stigma behaftet ist. «Das hat unser Selbstbild geprägt.»
Kleen ruft zur «roten Revolution» auf: Endlich offen über die Menstruation sprechen, neue Hygieneprodukte ausprobieren, sich informieren und nicht mehr verstohlen die Kollegin nach einem Tampon fragen – kurzum: nicht mehr schämen. «Nur, wenn wir das Thema in die Gesellschaft tragen, werden Unterleib und Krankheiten wie Endometriose besser erforscht und neue Hygieneprodukte oder Unterwäsche entwickelt.»
Und was ist mit den Männern? Wer kennt sie nicht, diese Szene – aus Filmen oder auch der Realität: Mann kauft Tampons für seine Frau, Freundin oder Tochter und steht peinlich berührt bis völlig verzweifelt an der Kasse. Ist ja total unmännlich, oder so. Kleen plädiert für mehr Lässigkeit. Und dafür, mit Männern über die Periode zu sprechen. «Vielleicht finden sie das ja alles gar nicht so schlimm?» Und selbst wenn – dann müssen sie da eben durch.
Fotocredits: Delia Baum
(dpa)