Telefonieren statt chatten

Hamburg – Das Problem am Onlinedating ist für Eric Hegmann, dass man erst mal zu lange online bleibt. Und man sich im Netz auch anders verhält – man mutiger ist als im wahren Leben. Und man überschätzt sich.

Sein Rat ist denkbar simpel: Man sollte zum Telefon greifen, um damit das Match anzurufen, sagt der Datingexperte im Interview mit dem dpa-Themendienst.

Herr Hegmann, gibt es beim Onlinedating andere Regeln als beim Offline-Dating?

Eric Hegmann: Die Regeln unterscheiden sich bei der Kontaktaufnahme nur minimal, aber in einem Punkt sehr gründlich. Die Partnerwahl wird auf diesem Planeten von den weiblichen Geschöpfen bestimmt. Das bedeutet, bei einem Flirt beispielsweise in einer Bar, würde der Mann, der nicht übergriffig werden will und das halbwegs geschickt macht, auf die Einladung der Frau warten – sie lächelt oder ihre Körpersprache oder tatsächlich ein Satz bekunden Interesse. Dann erst würde er auf sie zugehen.

Die Frau provoziert sozusagen den Mann zum ersten Schritt. Das ist im Internet natürlich nicht ganz so übertragbar. Das führt übrigens auch dazu, dass der Durchschnittsmann oft der große Verlierer des Onlinedatings ist.

Wie kommt das denn?

Hegmann: Dazu gab es kürzlich eine Studie zu Tinder-Nutzern. Der Durchschnittsmann wird von den Frauen kaum angeschrieben und er erhält wenig Rückantwort. Weil sein Profil nicht auffällt und weil die Attraktivität nicht ausreicht.

Es heißt ja, ähnliche Attraktivität zieht sich an. Vor allem da man offline auch etwas schüchterner ist, orientiert man sich eher auf Augenhöhe. Aber das Internet verleitet dazu, dass sich viele Menschen nach oben orientieren – sich also vor allem um die ganz wenigen bemühen, die besonders attraktiv sind.

Sollte man also sein Online-Profil bewusst attraktiver gestalten?

Hegmann: Ich weiß nicht, ob man was in der Darstellung verändern sollte, aber das Suchverhalten. Ich würde mich fragen: Tut es mir wirklich gut, nach einem schwer oder nicht erreichbaren Partner zu suchen? Was macht das mit mir? Was macht das auch mit meinem Selbstwert, wenn ich immer wieder Zurückweisung erlebe? Ich glaube, ein verletzter Selbstwert kommt mittlerweile bei Singles schon sehr zutage.

Da unser Selbstwert auf unser Bindungsverhalten übergeht, entwickeln viele Schutzstrategien, damit sie nicht wieder verletzt werden. Das ist ganz normal.

Das bedeutet zum Beispiel, man macht sein Profil attraktiver. Oder man entwickelt auch mangelndes Vertrauen ins Kennenlernen. Oder man will so lange alleine bleiben, bis man wen findet, der 150-prozentig zu einem passt. Aber das sind alles Schutzstrategien, die wunderbar dazu führen, dass sie alleine bleiben.

Wie kann ich mein Vertrauen in ein Match stärken und Enttäuschungen bei einem Date vermeiden?

Hegmann: Ich habe den Eindruck, die Leute telefonieren nicht mehr, bevor sie sich treffen. Wie kann das sein? Was hindert sie daran, den ersten positiven Eindruck des Profils zu überprüfen, bevor sie sich direkt zusammensetzen, um dann eine Enttäuschung zu erleben?

Ich vermute, dass es da viel Angst vor der Zurückweisung gibt und dass man glaubt, durch das Chatten und Texten ganz viel abklären zu können. In Wirklichkeit aber erweitert man nur die Projektionsfläche, denn alles, was wir nicht über jemanden wissen, das füllen wir auf mit Hoffnungen und Erwartungen – und bei sehr pessimistischen Menschen auch mit Erfahrungen. Aber das ist nichts, was diese Person wirklich ausmacht.

Klar, auch das lässt sich nicht über ein Telefonat lösen, aber man kriegt schon ein Stück mehr mit. Ich wundere mich daher immer, warum eigentlich vor den Treffen dieser Kontrollmechanismus nicht funktioniert.

Zur Person: Eric Hegmann ist Paarberater, Single-Coach und Blogger aus Hamburg. Außerdem berät er die Online-Dating Plattform Parship und ist Beziehungsexperte im Sat.1-Frühstücksfernsehen.

Fotocredits: Henrik Josef Boerger,Henrik Josef Boerger
(dpa/tmn)

(dpa)

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