Hamburg – Seit 71 Jahren ist er vorbei, der Zweite Weltkrieg. Die Kinder von damals sind inzwischen im Rentenalter. Manche von ihnen haben gegenüber ihren Töchtern und Söhnen nie ein Wort verloren über das, was sie in jungen Jahren Schlimmes erlebt haben.
Die unsägliche Angst in den Bombennächten etwa, das Grauen beim Anblick der vielen Toten nach Verlassen des Luftschutzkellers oder die schiere Not und Verzweiflung während der Vertreibung aus der Heimat.
Oft haben aber die Kinder der Kriegskinder etwa aufgrund von Filmen oder Jahrestagen ein starkes Bedürfnis, mit ihren Eltern über deren Kriegserlebnisse zu reden. Doch manche tun sich schwer damit, ein solches Gespräch zu eröffnen. Sie befürchten, mit ihren Fragen die alten Eltern seelisch zu belasten. Eine solche Angst ist indes oft unbegründet – glaubt die Historikerin Lu Seegers: «Viele der Kriegskinder warten regelrecht darauf, von ihren Kindern nach ihren Erlebnissen zwischen 1939 und 1945 befragt zu werden.»
Dass die Kinder bei ihren Eltern auf offene Ohren stoßen, wenn sie nach deren Kriegserlebnissen fragen, glaubt auch der Hamburger Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ulrich Lamparter. Er weist darauf hin, dass es kaum eine Familie gibt, die keine Opfer zu beklagen hat.
«Die Erinnerungen kommen gerade im Alter hoch – dann, wenn Zeit da ist, über Vergangenes nachzudenken», sagt Lamparter. Hinzu kommt, dass viele im Ruhestand ihre Enkelkinder beobachten und sich unwillkürlich mit ihnen vergleichen, als sie in deren Alter waren.
«Am einfachsten kann ein Gespräch über Kriegserlebnisse dann eröffnet werden, wenn das Thema gerade in den Medien präsent ist», rät Seegers. So kann der eigenen Mutter oder dem eigenen Vater das positive Signal gegeben werden «Du bist mit deinem Schicksal nicht allein». «In jedem Fall sollte das Gespräch über Kriegserlebnisse behutsam aufgenommen werden», rät Lamparter.
Stellen die Kinder fest, dass ihre Eltern auf ihren Gesprächswunsch zurückhaltend reagieren, dann sollten sie ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren. «Die Kinder sollten ihren Eltern mit viel Sensibilität klarmachen, dass sie ein Teil von ihnen sind, und somit ein Anrecht darauf haben zu erfahren, was einmal vorgefallen ist», sagt die Münchner Diplom-Psychologin Barbara Rabaioli-Fischer. Sie weist darauf hin, dass das Gespräch nicht unbedingt sofort stattfinden muss. Ein Zeitpunkt dafür sollte aber doch festgelegt werden.
Das Gespräch bietet auch die Möglichkeit, Teile der Familiengeschichte an die nächste Generation weiterzugeben – und sie so vor dem Vergessen zu bewahren. Kinder, deren Eltern einst vertrieben wurden, können ein Gespräch ins Rollen bringen, indem beide Generationen gemeinsam in den Herkunftsort der Eltern reisen. «In der alten Heimat löst sich dann möglicherweise innerlich etwas, und die Kriegskinder beginnen zu erzählen», so Rabaioli-Fischer.
Manchmal müssen die Kinder aber auch einsehen, dass sie ihre Eltern nicht zum Reden bewegen können. «Viele der Älteren sind nicht in der Lage, über damals zu sprechen», sagt Seegers. Stellt die jüngere Generation fest, dass die Älteren bei bestimmten Fragen regelrecht erstarren, dann sollte man sie nicht weiter drängen. «In solchen Fällen kann man aber die Kriegskinder bitten, etwas zu notieren», rät Lamparter.
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(dpa/tmn)