Marburg – Wenn ein Paar sich trennt, betrifft das nicht nur die beiden – sondern auch den gemeinsamen Freundeskreis. Die Trennung wirbelt einiges durcheinander.
«Das ist ein sehr komplexes Problem. Der Freundeskreis muss sich erst neu justieren», erklärt Hans Onno Röttgers, leitender Psychologe an der Marburger Universität. Wenn es schlecht läuft, steht der Betroffene plötzlich ohne Freunde da.
Mitleid, Erwartungen und Sensationsgier
Zum einen müssen sich die Freunde erst einmal klar darüber werden, mit wem von beiden sie befreundet bleiben wollen. Im Idealfall kann zwar die gute Beziehung zu beiden fortgeführt werden, das ist jedoch selten. «Dies hängt auch davon ab, wie sich das Ex-Paar verhält», erklärt Röttgers. Platzt die Party, wenn beide eingeladen werden? Oder hören sie mit dem Jammern gar nicht mehr auf und erwarten dauerhaftes Mitleid? Dies alles macht es dem Freundeskreis schwer bis unmöglich, die gute Beziehung aufrechtzuerhalten. «Sie sind damit überfordert», so Röttgers.
Allerdings gibt es häufig auch das umgekehrte Phänomen: Freunde, die ungefragt den Therapeuten oder Richter spielen. «Solange man nicht selbst betroffen ist, haben Trennungen einen Sensationswert», sagt Heike Blümner, Mitautorin des Buchs «Schluss jetzt. Von der Freiheit, sich zu trennen». Die Ex-Beziehung wird bis ins Kleinste analysiert, alle sind plötzlich Spezialisten. Schließlich lenkt das Scheitern von anderen von den eigenen Unzulänglichkeiten gut ab.
Feststellungen anstatt Unterstellungen
Doch das Gemeine daran: Das Drama bei dem Ex-Paar wird dadurch nur noch verstärkt. Die Autorin rät daher, von solchen Freunden «ein paar Monate Urlaub» zu nehmen. Das Gleiche gelte für Freunde, die nicht auf Einladungen reagieren oder «vergessen», einen etwa zum Geburtstag einzuladen. Der Fachmann Röttgers sieht das jedoch anders. Er empfiehlt, was Psychologen wohl für alle schwierigen zwischenmenschlichen Situationen raten: miteinander reden.
Wenn das Gespräch von beiden Seiten offen und ehrlich geführt wird, kommen die Gründe für den Rückzug ans Tageslicht. Zum Beispiel, dass sich die Freunde nicht einmischen wollen. Sie Angst haben, sich auf eine Seite zu schlagen, wenn sie nur einen Teil des Ex-Paares einladen. «Wenn man nicht mehr eingeladen wird, sollte man im Gespräch mit den Freunden nur Feststellungen treffen und keine Unterstellungen», rät die Psychologin Julia Scharnhorst aus Wedel. Möglich sind etwa die Sätze: «Ich habe gehört, ihr habt gefeiert. Sonst war ich doch auch eingeladen. Was ist denn los?»
Neid, Ehrlichkeit und ein Hobby
Schwierig wird es allerdings mit der Ehrlichkeit, wenn sich der Freundeskreis – bewusst oder unbewusst – mit den Gefühlen Neid und Eifersucht plagt. Der neue Single wird beneidet, weil er frei ist und tun kann, was er will.
In einer guten Position ist derjenige, der während der Partnerschaft seinen eigenen Freundeskreis gepflegt hat. Ansonsten müssen neue Freunde gefunden werden. Das fällt allerdings mit zunehmendem Alter immer schwerer. «Das Sinnvollste ist einfach, sich ein Hobby zu suchen», rät Scharnhorst. Und zwar am besten eines, in dem relativ schnell Bekanntschaften entstehen. Ungeeignet sind etwa Theaterbesuche oder der Fitnesskurs bei lauter Musik, nach dem alle wieder schnell ihrer Wege gehen. Dagegen ist zum Beispiel der Besuch von Sprachkursen empfehlenswert oder das Joggen in einer Laufgruppe: Hier duzen sich sofort alle, man sieht sich regelmäßig, kann sich unterhalten und hat ein gemeinsames Erlebnis.
Literatur:
Heike Blümner und Laura Ewert: «Schluss jetzt. Von der Freiheit, sich zu trennen», Carl Hanser Verlag, 223 Seiten, 15 Euro, ISBN-13: 978-3446261976.
Fotocredits: Christian Brox,Hanser Verlag,Christin Klose,Fredi Lang
(dpa/tmn)