München – Wenn Schulen, Kitas und Sportvereine nur eingeschränkt geöffnet sind, gewinnt das Spielen wieder mehr an Bedeutung. Dabei hilft es nicht nur die Zeit zu vertreiben, sondern stärkt auch den Zusammenhalt in der Familie.
Kinder haben ein Recht auf Spiel, fordert etwa das Deutsche Kinderhilfswerk und ruft wie jedes Jahr zum
Weltspieltag auf. Am Donnerstag (28. Mai) ist es wieder soweit. Das diesjährige Motto: «Raus in die Natur!».
Mentale und soziale Entwicklung wird gefördert
«Zeit in der Natur trägt zur Erholung bei, sie fördert zudem die mentale und soziale Entwicklung von Kindern, ihre Kreativität, ihre Entdeckerfreude sowie ihre Konzentration», erklärt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Kinderhilfswerkes. Doch das allein reicht nicht. Eltern seien heutzutage oft übervorsichtig. Er rät, wo es möglich ist, die Kinder auch alleine etwas machen zu lassen. «Die allermeisten Kinder haben eine natürliche Neugierde und Begeisterungsfähigkeit, die sie von allein nach draußen ziehen. Das sollten die Erwachsenen unterstützen und hier nicht auf der Bremse stehen.»
Ähnlich sieht es Jens Junge vom
Berliner Institut für Ludologie, das sich der Spielforschung widmet. Bei der intensiven Mediennutzung heutzutage sei das Spiel im Freien für die Entwicklung und das Körpergefühl von Kindern unverzichtbar, sagt der Spiele-Experte der privaten SRH Hochschule für Kommunikation und Design. Auf Bäume klettern, hüpfen, irgendwo herunterspringen oder auf einem Baumstamm balancieren – eine wichtige Art des Spielens, die auch völlig ohne Spielsachen funktioniert. «Kinder sind kreativ genug, da sollte man sich darauf verlassen, dass ihnen nicht langweilig wird, sie greifen nach allem, was sie finden.»
Spiele verschenken Erfolge
Doch nicht nur Toben im Freien ist wichtig – Spielen an sich ist nach Ansicht von Experten gut, für Kinder und Erwachsene. «Spiele schaffen einen Ausgleich, erzeugen Entspannung, schaffen neue Erfahrungsräume, sie sorgen für Reflexion, damit für Erneuerung», ist Junge überzeugt. «Spiele haben den schönen Vorteil, dass sie Erfolge verschenken.» Auch Fabienne Becker-Stoll, die in München das
Staatsinstitut für Frühpädagogik leitet, ist von der positiven Wirkung überzeugt: «Das schweißt die ganze Familie zusammen, auch die Geschwister».
Ein schönes Bild: Fröhlich sitzt die Familie um den Tisch und ist begeistert bei der Sache. Doch in der Realität geht es auch anders: Einer macht nervtötende Geräusche, die andere steht mittendrin auf und kommt ewig nicht zurück («Ich bin auf der Toilette»). Ein Glas Wasser ergießt sich über den Spielplan («Oops, Entschuldigung»). Zwei diskutieren erbittert über die Spielregeln und am Ende fegt jemand wutentbrannt die Spielsteine vom Brett.
Gerade zwischen Geschwistern eskaliert der Streit dann schnell. Der Schweizer Psychologe Jürg Frick findet tröstende Worte: «Wenn die sich messen und miteinander streiten, ist es ein Zeichen, dass sie eine Beziehung zueinander haben. Reibung ist auch ein Ausdruck, dass sie aneinander Interesse haben.»
Das Miteinander stärken
Außerdem ließen sich beim Spielen Kompetenzen einüben, soziale und emotionale, erläutert Becker-Stoll. «Das setzt voraus, dass Eltern das gemeinsame Spiel feinfühlig und altersangemessen moderieren – damit es allen Beteiligten und insbesondere den Kindern richtig Spaß und Freude macht.» Ihr Tipp für aufbrausende Gemüter: Spiele, die das Miteinander stärken und in denen der Sieg des einen nicht auf Kosten des anderen geht. Zudem sollten alle gleiche Chancen haben. «Und Eltern sollten gute Vorbilder sein, wenn es darum geht, Niederlagen mit Humor einzustecken.»
Und manchmal hilft es auch, einfach nur zusammen zu sein, ganz unspektakulär. «Zeit haben, Zuhören, eine Geschichte erzählen, mal den Vater oder die Mutter für sich haben», erklärt Frick. «Da ist es gut, wenn die Eltern weniger am Handy sind, sondern die Zeit auch nützen, mit den Kindern etwas zu machen. Das ist auch sehr wichtig für die Eltern.» Auch Becker-Stoll hat einen Tipp, sollten die Gefühlswogen hochschlagen: «Man kann auch mal richtig miteinander Quatsch machen, sich Beschimpfungen ausdenken, eine Kissenschlacht, irgendetwas, wo man diesen aufgestauten Druck spielerisch und mit Humor rauslassen kann.»
Fotocredits: Federico Gambarini
(dpa)