Hamburg – Die Beziehung läuft gut, man teilt sich seit drei Jahren ein Klingelschild – und auch beruflich geht inzwischen alles seinen geregelten Gang. Im Kopf wird ein Gedanke immer lauter: «So langsam wäre es Zeit für einen Heiratsantrag.» Doch der Liebste regt sich nicht. Und nun?
Kaum ein Thema in der Liebe ist so stark mit fixen Vorstellungen verknüpft wie der Heiratsantrag. Darunter fällt auch die Erwartung, dass der Mann für den Heiratsantrag zuständig ist. «Das ist eine Tradition, die über lange Zeit gewachsen ist», erklärt Eric Hegmann, Paarberater in Hamburg. «Schließlich hatten Frauen vor 200 Jahren noch kein Mitspracherecht bei der Frage, mit wem sie eine Ehe eingehen möchten.»
Damals richtete der Bräutigam seinen Heiratswunsch nicht an die Angebetete selbst, sondern an ihren Vater. Gab die Familie der Braut ihre Zustimmung, ging es vor den Altar. Heutzutage wird der väterliche Segen höchstens symbolisch eingeholt. Das Muster, dass meist der Mann die Initiative ergreift, ist geblieben. «Ob das noch zeitgemäß ist, sehe ich sehr kritisch», urteilt Hegmann.
Heiratsanträge werden romantisch verklärt
Doch warum werden Frauen vergleichsweise selten aktiv, wenn es um den Antrag geht? Robert A. Coordes, Leiter des Instituts für Beziehungsdynamik in Berlin, hat eine Erklärung: «Heiratsanträge werden romantisch verklärt. Für viele Frauen ist ein Antrag des Mannes eine Bestätigung, ein Er bekennt sich endlich zu mir.»
Viele werten einen Antrag als ultimativen Liebesbeweis – eine Vorstellung, die durch Filme, Romane und soziale Medien genährt wird. «Die wahren Liebesbeweise finden jedoch im Zusammenleben statt», sagt Hegmann. Hier hilft es, sich klarzumachen, dass die Unterstützung in Krisen mehr aussagt als ein riesiger Strauß aus den Lieblingsblumen.
Nicht zuletzt vermittelt das Konzept «Mann fragt Frau» auch Sicherheit, weil es klare Zuständigkeiten benennt. «Je moderner die Gesellschaft wird, desto eher orientieren wir uns an Traditionen», beobachtet Vera Matt, Paartherapeutin in Berlin.
Was steckt hinter dem Wunsch nach einem Antrag?
Frauen, die sehnsüchtig auf einen Antrag warten, rät Hegmann, darüber nachzudenken, warum es ihnen so wichtig ist, dass der Liebste diesen Schritt macht. Steckt dahinter der Wunsch nach Bestätigung? Nach Sicherheit? Oder liegt es daran, dass nahezu alle im Freundeskreis einen Ring am Finger tragen? Das hilft, die eigene Situation einzuordnen.
Wer sich einen Antrag wünscht, kann drei Dinge tun: abwarten, ansprechen oder aktiv werden. Abwarten ist dabei – so die Experten – die schlechteste Wahl. Stillhalten und hoffen, führt meist zu Frust. Und der sorgt womöglich dafür, dass man mit kleinen, spitzen Äußerungen Druck und Vorwürfe in die Beziehung bringt.
«Besser ist es, seinen Wunsch nach einer Hochzeit klar anzusprechen», rät Matt. In diesem Gespräch kann man deutlich machen, warum man die Ehe für wichtig hält. Natürlich bleibt auch die Option, sich von gängigen Vorstellungen zu lösen – und als Frau den Antrag zu machen.
Warum nicht am Küchentisch über Hochzeit sprechen?
«Ein Heiratsantrag ist ein festgelegtes Ritual. Wer sagt, dass man das als Paar genau so, wie es immer vermittelt wird, nachtanzen muss?», regt Matt an. Heißt: Bei Antipasti und einer Flasche Wein am Küchentisch auszuhandeln, ob man heiraten möchte, ist genauso legitim wie der klassische Antrag.
Nicht jeder Antrag endet damit, dass sich beide Partner in den Armen liegen. Manchmal zerstört ein «Nein» den Traum vom Traualtar und sorgt für Zweifel. «In diesem Fall ist Vermittlungsarbeit ganz wichtig. Schließlich basiert ein Heiratsantrag auf dem Gedanken, dass es zwischen beiden grundsätzlich passt», sagt Coordes.
Wichtig ist, gemeinsam aufzuklären, warum einer der beiden die Ehe nicht für das richtige Lebensmodell hält. Daraus ergibt sich dann, ob das Paar gemeinsam weitermachen kann. Damit keine unklare Situation entsteht, ist es sinnvoll, bereits im Laufe der Beziehung vorzufühlen, ob sich der oder die Liebste eine Ehe vorstellen kann.
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(dpa/tmn)