Digital Natives und die Suche der Kitas nach Antworten

Aachen – Guido Thissen ist in der Kita Rokoko der Wettermann: «Wie ist das Wetter heute?», fragt er in einer Traube von Kindern sitzend. Die Kleinen gucken nicht etwa durchs Fenster nach draußen, sondern auf den Laptop mit dem Wetterprogramm.

Drei Grad und wolkig, zeigt es an. Und eine Mief-Ampel meldet, dass mal gelüftet werden müsste. «Wetter ist hier immer ein Thema», erzählt der Leiter der Kita mit Kindern aus vielen Nationen, Michael Fegers: Immer wieder kommen Kleine im Winter mit Flipflops in die Einrichtung, tragen viel zu dünne Jacken. Mit der Wetterstation lernten die Kinder das Wetter kennen, das Programm sei aber auch ein erster Schritt zur Erkenntnis, dass man mit dem Computer nicht nur spielen kann.

Skepsis gegenüber digitalen Medien

Digitale Medien sind aktuell das große Thema in der Pädagogik, wie die Kölner Erziehungswissenschaftlerin Professor
Nadia Kutscherbeobachtet – anders als noch vor einigen Jahren, wo Fachtagungen abgeblasen werden mussten, weil kein Mensch kam. Trotzdem gebe es in vielen Kitas immer noch eine große Skepsis gegenüber den digitalen Medien. Selbst Erzieherinnen, die privat starke Nutzerinnen seien, würden die Meinung vertreten: «Kita muss ein Schutzraum sein.»

Zwölf sehr unterschiedliche Kitas in NRW haben sich zwei Jahre lang in einem Modellprojekt des Landesfamilienministeriums mit den digitalen Medien auseinandergesetzt. Sie sollten mit Fachleuten unter anderem des
Instituts für soziale Arbeit in Münster Antworten auf die Frage finden, wie Kitas mit den digitalen Lebenswirklichkeiten der Kinder umgehen können. Die Ergebnisse werden jetzt ausgewertet und zu einer Hilfestellung für alle Kitas in NRW zusammengestellt.

Medienerziehung in Kitas

Immer noch gebe es in Kitas die wissenschaftlich nicht bewiesenen Vorurteile: Digitale Medien machten dick, faul, dumm und gewalttätig, sagt die Nadia Kutscher, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Diese bisher weit verbreitete Grundskepsis führt aus ihrer Sicht dazu, dass es im überwiegenden Teil der Kitas keine differenzierte Auseinandersetzung gibt – anders als bei den Themen Ernährung oder Bewegung. Viele Erzieher könnten gar nicht so genau definieren, was Medienerziehung überhaupt sei.

«Grundsätzlich geht es erst mal darum, zu reflektieren, an welchen Stellen spielen digitale Medien schon längst eine Rolle im Alltag der Kinder – ohne dass wir uns hinsetzen und sagen: Wir machen jetzt was mit dem Tablet», sagt die Wissenschaftlerin Kutscher und räumt mit einem aus ihrer Sicht großen Missverständnis auf: Es geht eben nicht nur darum, dass Kinder mit Tablet oder digitalen Kameras agieren.

Am Computer nicht nur spielen

Unabhängig von dem NRW-Modellprojekt sind Einrichtungen wie die Aachener Kita schon auf eigenem Weg. Um das Thema Wetter zu vertiefen, wurden auch Bücher zu dem Thema gekauft. «Wir bekommen mit, dass zu Hause an Computern nur gespielt wird», sagt Kita-Leiter Fegers. Er hofft, dass die Kinder ihre Wetter-Lern-Erfahrungen mit in die Grundschule nehmen.

Bei Gelegenheit bezieht die Aachener Einrichtung auch die Eltern in die Medienpädagogik mit ein. «Bei der letzten Karnevalsfeier standen alle Mütter hier und haben gefilmt. Eine Stunde später war das bei Facebook», erzählt Fegers. In diesem Jahr werde er die Mütter darauf ansprechen. Damit macht er genau das, was auch die Erziehungswissenschaftlerin Kutscher erwartet: Die Eltern mitnehmen und ihnen bei Bedarf Hilfestellung geben.

Ein Patentrezept für die Medienerziehung gebe es nicht, nimmt Milena Bücken vom Institut für soziale Arbeit ein Ergebnis des NRW-Modellprojekts vorweg: Jeder Kindergarten sei durch die Ansprüche der jeweiligen Eltern unterschiedlich geprägt. «Jeder muss für sich herausfinden, was passt zu uns und unseren Eltern.»

Fotocredits: Oliver Berg
(dpa)

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