Berlin – Die fälligen Impfungen der Kinder im Blick behalten, Termine mit dem Babysitter absprechen, der Putzfrau Aufträge zuteilen und gleichzeitig recherchieren, welcher Handwerker sich um kaputte Rollläden kümmert.
In vielen Partnerschaften sind das trotz vermeintlicher Gleichberechtigung Aufgaben, die Frauen übernehmen – nebenher, versteht sich. Das Nervige daran: Oft passiert diese Art der Arbeit für den Rest der Familie unsichtbar, frisst aber Zeit und Nerven. «Invisible labor» heißt dieses Phänomen deshalb im englischsprachigen Raum – oder auch «emotional labor», weil Frauen oft die Rolle der Kümmerin innehaben, auch wenn es sicherlich Männer gibt, die es in ihren Beziehungen genau umgekehrt erleben.
Die US-Autorin Gemma Hartley hat ihrem Frust in einem
«Harpers Bazaar»-Artikel Luft gemacht. Er wurde tausendfach in sozialen Medien geteilt, daraufhin war Hartley zu Gast im
Podcast «Dear Sugars», der auch über die USA hinaus bekannt ist.
Hartley bringt das Problem so auf den Punkt: «Es geht nicht nur darum, irgendeinen Handwerker zu bestellen, der die zerbrochene Scheibe repariert. Es ist die Zeit und Energie, die es kostet, den Handwerker ausfindig zu machen, der die Scheibe repariert.» Den Hirnschmalz, den sie für diese Suche braucht – das ist es, was sie erschöpft und ärgerlich macht. Vor allem, weil ihrem Mann gar nicht so einfach begreiflich zu machen ist, worum es ihr geht. Wer darüber redet, klingt schnell wie eine Nervensäge, die sich wegen Kleinigkeiten aufregt.
Dass diese ungleiche Verteilung in vielen Beziehungen nach wie vor besteht, ist ein Problem, das heute gerne abgetan wird: «Vor allem die urbane, gebildete Mittelschicht sagt: «Das Thema Gleichstellung hat sich doch erledigt»», ist Aline Oloffs Erfahrung. Oloff arbeitet am Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Technischen Universität Berlin. Studien belegen aber ganz klar: Die Frage, wer wie viel Zeit mit Hausarbeit verbringt oder wer sich um die Kinder kümmert, wird mitnichten mit 50:50 beantwortet. Wenig überraschend: Frauen übernehmen oft mehr dieser Aufgaben als Männer.
Warum ist das so – immer noch? «Weil es klassische Muster sind, die gut funktionieren», sagt Oloff. Mädchen wachsen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Jungen damit auf, dass ihre Mutter die Geburtstagsgeschenke kauft oder sich um das ganze soziale Netzwerk kümmert. Die Chancen, dass Mädchen das in ihrer eigenen Beziehung später ganz anders handhaben, sind damit nicht so hoch – oder verlangen zumindest einiges an Selbstreflexion, möglicherweise unangenehmen Gesprächen in der Partnerschaft und vielleicht sogar eine Korrektur des Selbstbilds.
Häufig wird die traditionelle Aufgabenverteilung laut Oloff mit dem Argument begründet, «dass Frauen das eben besser können». Das lässt sie allerdings nicht gelten: «Die Verschiebung in die Natur ist immer eine bequeme Lösung für Widersprüchlichkeiten.» Frauen managen Familie und Haushalt nicht besser, weil sie Frauen sind – sondern weil sie so sozialisiert werden und in diese Rolle hineinwachsen.
Nicht ganz so streng sieht es die Diplom-Psychologin Felicitas Heyne: «Es gibt Frauen, die sagen: «Ich entscheide, welches Sofa wir kaufen und recherchiere das beste Ferienhaus an der Algarve, weil ich das gerne mache»» – und das aufrichtig so meinen. Wenn das der Fall ist, kann man dieses Modell so leben.
In wem es dabei aber rumort, der muss mit dem Partner reden. Heyne rät Paaren, ein Gespräch über das leidige Wer-macht-was-Thema so pragmatisch und unaufgeregt wie möglich anzugehen. Vorwürfe führen nur dazu, dass sich der andere Partner in die Ecke gedrängt fühlt und seinerseits aufzählt, was er alles alleine macht.
Erst einmal sollte sich ein Paar einen Überblick verschaffen, um welche Aufgaben es geht. «Und dann verfährt man am besten wie in der Arbeitswelt: Man arbeitet mit Deals. «Ich mache das, dafür machst du das»», rät Heyne. Das lässt Raum, Vorlieben und Stärken individuell in den Ring zu werfen.
Damit eine Umverteilung der Familienarbeit gelingen kann, sind Heyne zufolge mehrere Dinge nötig: die eigenen Ansprüche herunterschrauben. Oder es aushalten zu können, wenn der Partner den Fußboden erst wischt und dann saugt – und nicht umgekehrt. Sich mit Tipps zurückhalten. Dem anderen eine Lernkurve zugestehen. Die eigene Art, Sachen zu erledigen, nicht zum allgemeingültigen Standard zu erheben.
Darin seien viele Frauen nicht sehr gut, findet Heyne: «Viele reißen Aufgaben nach kurzer Zeit wieder genervt an sich – weil der Mann das angeblich nicht hinkriegt.» Wer damit leben kann: in Ordnung. Ändern wird sich damit aber gar nichts. Oft sei das Problem auch ein tiefenpsychologisches: «Wer entscheidet, hat die Macht.»
Wer emotionale Arbeit bei Kindern und Freunden leistet – nachfragt, viel zuhört, hilft -, kriegt dafür auch viel zurück. Die Folgen davon zeigen sich bei manchen Paaren erst spät: «Nach einer Scheidung sind es eher die Männer, die in ein Loch fallen – weil sie keine sozialen Kontakte haben.» Um die hat sich vorher eben nur die Frau gekümmert.
Delegieren fällt also nicht immer leicht – aber ohne das wird es nicht gehen. Geschlechterforscherin Oloff bringt dabei den Begriff der «rhetorischen Modernisierung» ins Spiel: Wir halten uns alle für viel gleichberechtigter, als wir es tatsächlich leben. Vor allem Kinder sorgen bei Paaren dafür, dass vermeintlich abgelegte Rollenmuster wieder aufblühen.
In einer Sache sind sich Oloff und Heyne einig: Das Ganze ist kein rein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches. Zwar liegt es zum Großteil an den Paaren selbst, darüber zu verhandeln. Aber es muss sich noch viel mehr ändern, etwa in der Arbeitswelt: Frauen und Männer müssten gleichermaßen die Arbeitszeit reduzieren, damit mehr Raum für das tägliche Klein-Klein bleibt.
Und nur wer sich bewusst macht, warum er bestimmte Aufgaben stillschweigend übernimmt, kann seinen Kindern vielleicht ein anderes Modell vorleben. Diese Hoffnung hegt auch die Moderatorin des Podcast «Dear Sugars», Cheryl Strayed: Als sie ihren kleinen Sohn in der Küche dabei beobachtete, wie er den Boden mit einem Spielzeugbesen fegt, fragte sie ihn, was er da macht. Seine Antwort: «Ich spiele gerade, dass ich ein Papa bin.»
Fotocredits: Christin Klose
(dpa/tmn)