Berlin – Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt? Stimmt, sagt Buchautor Wolfgang Krüger, der seit Jahren zu dem Thema forscht. Freundschaften machten nicht nur glücklicher und gesünder, sie seien heute oft auch belastbarer als früher. Aber Luft nach oben bleibt.
Warum sind Freundschaften so wichtig?
Wir haben zwei Schwachpunkte im Leben – Einsamkeit und Unsicherheit. Wir brauchen nicht nur eine Partnerschaft, sondern ein soziales Dorf. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir auch die Anerkennung und die Rückmeldung von Freunden. Wir leben in einer Zeit, in der die Bedeutung von Freundschaften von Jahr zu Jahr wächst. Denn wir wollen Beziehungen haben, die gleichzeitig verlässlich sind und frei gewählt.
Wie viele wirklich gute Freunde hat ein Mensch?
Wenn es hoch kommt: drei. Darüber hinaus pflegen wir rund zwölf Durchschnittsfreundschaften. Das sind Menschen, die man zum Geburtstag einlädt und die ein bisschen mehr über einen wissen. Alles andere sind Bekannte mit einer gewissen Form von Innigkeit wie Nachbarn oder Kollegen.
Hängt die Anzahl der Freunde mit dem Lebensalter zusammen?
Es gibt das grundsätzliche Phänomen, dass die Anzahl der Freundschaften ab dem 23. Lebensjahr ständig sinkt. Wir gehen davon aus, dass wir alle zehn Jahre einen Freund verlieren und keinen neuen hinzugewinnen. In den frühen Jahren mit Schule, Ausbildung oder Uni begegnen uns viele Menschen, die noch nicht gebunden und auf der Suche nach Freunden sind. Je älter wir werden, desto mehr Verankerte treffen wir – Menschen in Partnerschaften oder mit festen Freundeskreisen. Da wird es schwieriger, andere zu gewinnen. Doch je älter wir werden, desto qualitativ besser werden Freundschaften, weil wir an Menschenkenntnis dazugewinnen, an Toleranz und an Humor.
Woran scheitern Freundschaften?
Es gibt in Deutschland einen großen Unterschied bei Investitionen in Liebe und Freundschaft. Freundschaften sind immer nur die kleine Schwester der Liebe, für sie ist weniger Zeit und Fantasie reserviert. Sobald es Konflikte gibt, sind viele ratlos. In Partnerschaften haben wir Modelle bis hin zu Geigen am Strand. Bei Freundschaften gibt es meist einen sehr hehren Anspruch, aber der Alltag sieht anders aus. Nur 70 Prozent der Freunde reden über ihre Partnerschaften, nur 50 Prozent über Sexualität und nur 30 Prozent über Geld. Und das größte Problem von Freundschaften ist Langeweile.
Im Filmklassiker «Harry und Sally» heißt es: Männer und Frauen können keine Freunde sein. Da kommt immer der Sex dazwischen. Stimmt das?
Eine Freundschaft zwischen Männern von Frauen funktioniert, wenn eine von drei Voraussetzungen da ist: Er ist in einer festen Bindung und erotisch erfüllt. Sie ist nicht sein Typ oder eine Frau, die vom Aussehen und vom Verhalten her kameradschaftlich ist. Es geht auch, wenn Männer in der Lage sind, intensive Gespräche herzustellen – aber das ist leider selten. In den meisten anderen Fällen werden es Männer immer probieren, bis zum Frühstück zu bleiben.
Was unterscheidet Freundschaften heute von früher?
Früher war Freundschaft hoch oben in den Wolken angesiedelt. Heute gehen wir konkreter und offener an sie ran. Viele Menschen fragen sich: Würde dieser Mensch für mich da sein, wenn ich krank bin? Und gute Freunde wagen heute auch persönliche Fragen wie: Sag mal, bist du eigentlich glücklich? Noch vor 30 Jahren waren die Deutschen da viel vorsichtiger.
Zur Person: Wolfgang Krüger, Jahrgang 1948, ist promovierter Psychologe und arbeitet als Psychotherapeut in Berlin. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Überwindung von Ängsten und der Aufarbeitung von Beziehungsschwierigkeiten. Als Buchautor beschäftigt er sich unter anderem mit Partnerschaft und Freundschaft.
Literatur:
Wolfgang Krüger, Freundschaft: beginnen – verbessern – gestalten, BoD, 9,90 Euro, ISBN-13: 978-3738656077.
Fotocredits: Gerald Wesolowski
(dpa)