Wiesbaden – Das Hotel liegt in einer diskreten Seitenstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das Zimmer ist günstig, keine 50 Euro für ein paar Stunden. Tagsüber, versteht sich. Eine Übernachtung ist in dem Etablissement nicht vorgesehen. Nur ein kurzes Treffen mit Geschäftspartnern.
Ein Service, den immer mehr Hotels in Hessen anbieten: Sie vermieten tagsüber leerstehende Zimmer, damit dort Geschäftsreisende in Ruhe arbeiten oder sich einfach nur ausruhen können. Tagesbetten – der neue Trend?
Gebucht werden die Tageszimmer entweder direkt bei den Hotels oder über entsprechende Portale wie ByHours.com oder between9and5.com im Internet. Marktführer ist nach eigenen Angaben
dayuse.com, ein vor rund sechs Jahren gegründetes französisches Start-up-Unternehmen. Inzwischen bietet es in 15 Ländern Tageszimmer an. Fast 2000 Hotels stehen zur Auswahl – allein in Hessen sind es bereits gut 40 Häuser, darunter einige im Luxus-Segment.
Die Idee hinter dem Konzept ist simpel: Viele Hotelzimmer stehen tagsüber leer. Sie können also mit relativ geringem Aufwand ein zweites Mal vermietet werden. Für die Nutzung zwischen 10.00 und 17.00 Uhr werden in der Regel 50 Prozent der normalen Übernachtungskosten berechnet. Ideal für Business-Reisende, die einen ruhigen Arbeitsplatz brauchen oder eine Dusche zwischen den Terminen. Ideal auch für die Hoteliers, die so zusätzliche Einnahmen haben.
Selbst das Fünf-Sterne-Haus
«Villa Kennedy» in Frankfurt, in dem Pop-Stars und hoch bezahlte Fußball-Profis absteigen, bietet seit Juli den Service probeweise an. «Frankfurt ist eine Geschäftsdestination – und auch wir leben komplett von diesem Business-Zweig», sagt Sprecherin Yasmin Michel. Erste Erfahrungen hätten gezeigt, dass das Angebot vor allem für vertrauliche Geschäftsmeetings ideal sei, die nicht in einem Restaurant stattfinden könnten. Nebeneffekt: Statt der 465 Euro für eine Suite oder der 265 Euro für ein Standard-Zimmer in der Nobel-Herberge über Nacht wird nur rund die Hälfte fällig.
«Das stundenweise Vermieten von Hotelzimmern ist keine völlig neue Geschäftsidee. Es gibt seit längerem Kooperationen zwischen Hotelketten und Unternehmen, die während einer Konferenz oder einer Messe Zimmer für ihre Mitarbeiter mieten, damit sich diese ausruhen oder frisch machen können», sagt ein Sprecher des Hotel- und Gastronomieverbands
Dehoga Hessen in Wiesbaden. Denn das stundenweise Vermieten von Zimmern biete Hotels die Möglichkeit, zusätzliche Umsätze zu generieren.
Obwohl etwa in Frankfurt nach Angaben der Tourismus & Congress GmbH rund 70 Prozent der Übernachtungen geschäftlicher Natur sind, nutzen auch private Tagesausflügler entsprechende Angebote, wie die Reiseexpertin Katja Hasselkus aus Bad Soden im Taunus berichtet. «In Frankreich und Großbritannien sind «Daycations» schon ein aufkommender Reisetrend», glaubt sie.
Denn ein günstiges Tagesbett nehme den Stressfaktor aus jeder Tagesreise: «Koffer abstellen, die Erholungsmöglichkeiten des Hotels nutzen, einen Mittagsschlaf einschieben, erfrischen und schließlich einen stressfreien, angenehmen Tagesausflug genießen.» Interessant sei das Angebot auch für Flugreisende, die sich zwischen zwei Flügen frisch machen möchten. Zwei Airport-Hotels am Frankfurter Flughafen offerieren bereits Tageszimmer.
Wie hoch die Umsätze in der hessischen Hotellerie durch die Vermietung von Tagesbetten derzeit sind, kann die Dehoga nicht sagen. «Der steigende Kostendruck auf Hotelseite sowie die wachsende Mobilität bei gleichzeitig sinkenden Reisebudgets auf Gästeseite führen dazu, dass das Modell der Tagesbetten in Zukunft vermutlich weiter wachsen wird», schätzt ihr Sprecher.
Dass auch Finanzinvestoren auf den Zug aufspringen, lässt ebenfalls auf eine steigende Nachfrage schließen: So erhielt dayuse.com nach eigener Darstellung erst Ende 2015 eine Kapitalerhöhung von 15 Millionen Euro durch die Inverstmentfonds Idinvest Partners und Partech Ventures sowie die Business Angels der ersten Stunde.
Größter Unterschied von dayuse.com zu herkömmlichen Buchungsportalen für Hotelbetten ist jedoch: Der Gast hinterlässt keine Identitätsspuren. Für die Reservierungen werden nicht einmal Bankdaten oder eine Kreditkarte benötigt. Gezahlt wird direkt vor Ort – in bar. Wie das Zimmer also tatsächlich während der paar Stunden zur Mittagszeit genutzt wird, bleibt damit das diskrete Geheimnis des jeweiligen Gastes…
Fotocredits: Adrian Houston/Villa Kennedy
(dpa)