Dortmund – Es sieht wirklich bedrohlich aus: Rot, rundlich, gezackt und mit grüner Fratze: Ein Sechsjähriger hat «das böse Coronavirus» gemalt, mit Filzstift.
Wie sehr er hoffe, dass es bald wieder losgehe, steht in einem Brief dazu, den er seiner Mutter diktiert und an die Erzieherinnen der Dortmunder Kita Hainallee geschickt hat. «Wenn ich wieder zurück bin, möchte ich euch alle ganz fest drücken», heißt es da weiter.
Viele Frage und Unsicherheiten bei den Eltern
Der Junge wird noch warten müssen, ab diesem Donnerstag (14. Mai) öffnen die nordrhein-westfälischen Kitas in einem ersten Schritt vorrangig für ältere Kinder mit besonderem Förderbedarf. Alle anderen Vorschulkinder sollen zwei Wochen später folgen, dazu zählt auch der kleine Coronavirus-Künstler. Doch wird er dann seine Erzieherinnen umarmen dürfen? Sind seine Freunde schon da? Was läuft anders, was wie gewohnt?
Eltern hätten viele Fragen und Unsicherheiten, erzählt Einrichtungsleiterin Miriam Meyer zu Ummeln. Ihnen berichtet sie dann am Telefon von den vielen Erfahrungen, die sie mit den stetig wachsenden Notgruppen bereits sammeln konnte. Denn viele Elternteile hier gehören zur Gruppe der systemrelevanten Berufe. Zuletzt wurden landesweit knapp 15 Prozent der insgesamt knapp 711.000 Betreuungsplätze in NRW in Anspruch genommen, heißt es aus dem Familienministerium. Zu Beginn der Kitaschließungen, waren es deutlich weniger, auch in Dortmund. Wer es anfangs geschafft habe, Kind und Job unter einen Hut zu bringen, stoße zunehmend an Grenzen, erklärt Meyer zu Ummeln. Inzwischen kommen bis zu 18 Kinder – getrennt in drei festen Kleingruppen.
Balance-Akt zwischen Infektionsschutz und Pädagogik
So haben die Erzieherinnen hier bereits gewisse Routine mit einem Kitaalltag unter Corona-Bedingungen, dem Balance-Akt zwischen Infektions- und Arbeitsschutz einerseits und pädagogischen Selbstverständlichkeiten andererseits. «Wir müssen uns natürlich von unserem pädagogischen Konzept, in dem Bindung und Beziehung grundlegend sind, schon ein bisschen distanzieren», sagt Meyer zu Ummeln. Das bedeute, nicht gerade die Situationen zu suchen, in denen es eng wird. Auch gruppenübergreifendes, freies Bewegen für die Kinder in der ganzen Einrichtung falle aus.
«Aber die Kinder werden natürlich getröstet, wenn sie fallen oder Zuneigung und Nähe brauchen», betont sie. Das Abstandsgebot, das in so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen Schlüssel zur Rückkehr ins geschäftliche und gesellschaftliche Leben ist, kann für den Umgang mit den Kleinsten nicht der Maßstab sein. Das betont auch Familienminister Joachim Stamp (FDP): «Im Gegenteil: Sie brauchen Nähe und Geborgenheit», schreibt er in einem Elternbrief.
Keine Scheu vor Kontakt
Die Dortmunder Erzieherin Jacqueline Kreisel sitzt im Gruppenraum auf einer Spielmatte. Als sie das Bilderbuch öffnet, ist das für die Kleinen das Signal, auf ihren Schoß zu klettern. «Ich bin da gar nicht ängstlich, die Kinder brauchen das ja», sagt sie. In der deutlich kleineren Notgruppe vermisse sie den Trubel einer vollen Kita selbst am meisten. Die Kleinen arrangierten sich mit der Situation aber erstaunlich gut. «Sie fragen natürlich, wo ihre besten Freunde sind, aber es entstehen ganz neue Verbindungen.»
Die Corona-Vorkehrungen bringen für die Kitaverantwortlichen teils erheblichen logistischen Aufwand: «Wir haben das große Glück, dass uns hier die Räumlichkeiten eine gute Trennung der Gruppen ermöglichen», erklärt Daniel Kunstleben, Geschäftsführer von Fabido, dem Träger. Jeder Gruppenraum in dem eingeschossigen Gebäude kann von außen betreten werden. Statt wie früher hinter dem Haupteingang, geben die Eltern ihre Kinder nun an der Terrassentür ab.
Tag beginnt mit Händewaschen
Natürlich beginnt auch hier der Tag mit gründlichem Händewaschen. Eltern dürfen nur noch in Ausnahmefällen in die Kita – dann bitte mit Mundschutz. Für die Erzieherinnen ist die Maske dagegen nicht vorgesehen: «Kinder brauchen Mimik, um Erwachsene zu verstehen», sagt Kunstleben. Es darf nur jeweils eine Gruppe auf das Außengelände. Die Dienstpläne müssen so geschrieben werden, dass Erzieherinnen immer auf dieselben Kinder in möglichst kleinen, festen Gruppen treffen – und das bei deutlich weniger Personal.
Beim Dortmunder Träger Fabido sind 400 von 1600 Mitarbeitern vorerkrankt oder über 60 Jahre alt und müssen nicht in die Einrichtung kommen. Laut Familienministerium müssen die Träger von Kitas und Kindertagespflege zur Zeit mit über 20 Prozent weniger Personal arbeiten. Wie häufig die restlichen Kinder noch vor den Sommerferien wirklich in ihre Kitas zurückkehren können, hänge auch von den dann verfügbaren Personalressourcen ab, schreibt Stamp in seinem Elternbrief.
Elternverbände und auch die Familiendezernentin aus Dortmund machen Druck, möglichst zügig allen Eltern wieder eine Entlastung bei der Betreuung zu ermöglichen. «Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir das zweite Halbjahr so gestalten, dass Eltern wieder die Chance haben, Familie und Beruf mit gutem Gewissen zu vereinbaren. Ich frage mich schon, wie die Eltern überhaupt noch klarkommen», sagt Daniela Schneckenburger (Grüne). Dazu brauche es die Möglichkeit, Personal flexibler einzusetzen. Denkbar seien auch Schichtmodelle, so dass einige Kinder vormittags, andere nach einer Reinigung der Räume nachmittags betreut wären. «Es wird jedenfalls kein einfaches Umlegen des Schalters geben», sagt sie.
Fotocredits: Bernd Thissen
(dpa)