Northeim – Kann das Kind selbstständig laufen, ist ein wichtiger Meilenstein geschafft. Dann – und erst dann – braucht der Sprössling Schuhe. Auch Lauflernschuhe für die ersten Schritte sind nicht nötig.
«ABS-Socken reichen vollkommen, damit der Fuß sich gut entwickeln kann», betont Hartmut Stinus, Orthopäde in Northeim und Präsident der Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie. Läuft das Kind dann längere Strecken etwa auch auf Asphalt, ist ein Schutz durch Schuhe nötig.
Was der Orthopäde in seiner Praxis immer wieder feststellt: Viele Kinder tragen zu kleine Schuhe. Kleinkinder brauchen etwa alle drei bis sechs Monate neue Schuhe. Als Faustregel können Eltern sich merken: Bei einem gut sitzenden Schuh passt vor den großen Zeh noch ein Eincentstück.
Papierfußabdruck kann Schuhgröße verfälschen
Am besten werden die Kinderfüße im Fachgeschäft vermessen. Nur mit einem Papierfußabdruck des Kindes in den Schuhladen zu gehen, davon hält Sina Wiedemann nichts. «Sobald Sie den Stift minimal schräg ansetzen, haben Sie eine falsche Schuhgröße», weiß die Geschäftsführerin des Schuhladens
«Gänsefüßchen» in Bonn.
«Der Unterschied zwischen zwei Schuhgrößen beträgt ja nur 0,5 bis 0,6 Zentimeter.» Und aufgepasst: Größe 33 ist nicht gleich Größe 33. «Nimmt man zum Beispiel die Sneakerhersteller, fallen dort die Schuhe immer besonders klein aus», so Wiedemann.
Auch der Daumentest, bei dem Eltern vorne am Schuh drücken, um festzustellen, ob da noch Luft ist, kann irreführen. Je nach Material fühlt man dabei wenig, hinzu kommt: «Kinder ziehen dabei häufig reflexartig die Zehen zurück», sagt Claudia Schulz, Pressesprecherin des Bundesverbandes der Schuh- und Lederwarenindustrie, «da kommt man sicher nicht zu guten Ergebnissen.»
Weiche Kinderfüße kennen keinen Schmerz
Ein kleines Kind selbst spürt nicht unbedingt, ob der Schuh drückt. «Die Kinderfüße kennen keinen Schmerz. Sie sind noch weich und formbar», so Schulz. Orthopäde Stinus bestätigt: «Der Kinderfuß hat seine eigenen Bedingungen.»
Generell sollten Schuhe heute eher weich und biegsam sein. «Früher hat man gedacht, ein Schuh muss fest sein und den Fuß richtig führen», erläutert Stinus. «Heute sagt man: Der Schuh soll einfach schützen, er soll flexibel sein und den Fuß arbeiten lassen.» Ein Kinderarzt habe einst das
WMS-System erfunden, das neben der Länge auch die Weite berücksichtigt.
Kind sollte für Schuhkauf ausgeruht und satt sein
Wer all das beachtet, kann für den Schuhkauf schon mal etwas länger brauchen. Wichtig ist daher, mit einem ausgeruhten und satten Kind ins Geschäft zu kommen, rät Sina Wiedemann. Sie empfiehlt auch, vorher klare Regeln zu vereinbaren, etwa, ob das Kind sich die Schuhe selber aussuchen darf oder nicht.
Stattdessen frage die Mutter häufig: «Was gefällt dir?» Dann sagt das Kind: «Der rote Lackschuh!» – «Auf gar keinen Fall!», empört sich die Mutter. «Und schon ist das Drama vorprogrammiert», erklärt Wiedemann. Besser steht vorher fest, was für Schuhe gebraucht werden. «Und unter denen, die passen, darf das Kind sich einen aussuchen.» Dass die Eltern selbst entspannt sind, sei ebenso wichtig.
«Man sollte aus dem Einkauf keinen Staatsakt machen», empfiehlt Wiedemann. «Da werden manchmal 27 Paar Schuhe anprobiert und alle Fotos dem Vater ins Büro geschickt. Man muss sich vor Augen führen: Das ist eine Entscheidung für vier Monate.» Wichtiger sei, dass das Kind mindestens zwei Paar Schuhe zum Wechseln benötigt. «Kinderfüße schwitzen sehr stark», unterstreicht Claudia Schulz. «Um die Schuhe auslüften zu lassen, sollte möglichst jeden Tag gewechselt werden.»
Fotocredits: Mascha Brichta,Hartmut Stinus,Maja Hitij
(dpa/tmn)