Überlingen – Liebe am Arbeitsplatz sei nach wie vor ein Tabu, meint Karriereberaterin Jutta Boenig. Dabei kennt jeder jemanden, dem das schon passiert ist – ob als Affäre oder als ernste Beziehung.
Es liegt nahe, dass sich Menschen dort verlieben, wo sie für eine gemeinsame Sache glühen und eng zusammenarbeiten, wie
Psychotherapeut Wolfgang Krüger erklärt. Aber wie kann eine Partnerschaft im Job gelingen?
Grundvoraussetzung ist, dass beide Nähe aushalten können und eine konstruktive Konfliktkultur pflegen, weiß Krüger. Beziehungen am Arbeitsplatz haben Auswirkungen auf das gesamte System, ob es um Gerüchte geht, um das Verhalten von Vorgesetzten oder Kunden, hat Boenig festgestellt.
Gemeinsamer Job lässt kaum Leidenschaft entstehen
Wie gut eine Lebensgemeinschaft unter Kollegen klappe, hänge davon ab, wie involviert beide sind, sagt
Paartherapeutin Andrea Bräu. Manche träfen sich höchstens in der Kantine zum Essen. Oder als Pädagogen im Lehrerzimmer in der Pause. Andere wiederum sind vom gemeinsamen Frühstück bis zum Abendessen ständig in Kontakt.
«Solche symbiotischen Paar-Beziehungen sind immer schwierig», meint Bräu. Wer von morgens bis abends alles zusammen mache, habe es schwer, noch Leidenschaft entstehen zu lassen, weil es so wenige Impulse von außen gebe. Distanz schaffe Nähe. Partnern, die zusammenarbeiten, rät Bräu daher, sich zumindest ein eigenes Hobby zu suchen oder sich mit Freunden alleine zu treffen.
Arbeit versaut Atmosphäre in der Liebesbeziehung
Gerade bei Paaren, die gemeinsam eine Firma führen, liegt das Geschäft immer mit im Bett. Krüger schlägt deshalb als Regel vor: Keine Gespräche im Privatleben über die Arbeit. «Liebe braucht Freiräume und Leichtigkeit, die Arbeit versaut die Atmosphäre in der Liebesbeziehung.» Beide könnten beispielsweise vereinbaren, maximal eine Stunde nach Feierabend noch über die Firma zu sprechen und die Arbeit am Wochenende ganz rauszuhalten,
empfiehlt Boenig.
Ab wann sollten die Lebensgefährten die Kollegen oder gar Vorgesetzte informieren? «Wenn man anfängt, die Wohnungsschlüssel auszutauschen und die engen Freunde kennenlernt, kann man es offiziell machen», findet Krüger. Boenig rät dazu, das Thema durchaus charmant offensiv anzugehen. Der Vorteil: Die Kollegen streuen nicht immer mehr Gerüchte.
Lieber nicht zu sehr zusammen glucken
Zärtlichkeiten gilt es den Experten zufolge im Büro dennoch zu unterlassen. «Generell sollte man nicht zu sehr zusammen glucken und nicht auch noch die Mittagspause zusammen verbringen», warnt Boenig. Den Kollegen könnte man so signalisieren, wir arbeiten noch, wir sind nicht nur im Dauerflirtmodus.
Schwierig wird es mit den Kollegen, sollte das Paar sich wieder trennen. Habe einer von beiden Liebeskummer, bespreche er oder sie das besser nicht mit den Mitarbeitern, raten die Experten. Selbst wenn das jemand ist, mit dem man ein gutes Verhältnis hat. Schließlich muss der- oder diejenige mit allen Beteiligten weiter arbeiten.
Generell entstehen die Probleme vor allem dann, wenn die Beziehung schief geht, weiß Bräu. Viele schafften es nicht, dem anderen ohne Groll zu begegnen, wenn sie ihn oder sie weiter tagtäglich sähen. Nicht selten verlässt einer dann das Unternehmen.
Zu den Klassikern unter den Liebesverhältnissen am Arbeitsplatz gehören den Experten zufolge nach wie vor Chef und Sekretärin oder Mentor/in und Protegé. «Die Tatsache, dass einer offiziell mehr Macht hat, bringt eine große Schräglage in die Beziehung», warnt Krüger. Liebe vertrage keine institutionalisierte Macht. In einem solchen Fall sollte das Paar beruflich getrennte Wege gehen, findet Bräu.
Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert,Gerald Wesolowski,Norman Pretschner,Lauterwasser Überlingen
(dpa/tmn)