Grand Junction – Regelmäßig Cannabis konsumierende Patienten haben bei Operationen einen höheren Bedarf an Narkosemitteln. Bei Propofol etwa kann mehr als die dreifache Dosis nötig sein, wenn Menschen täglich oder wöchentlich Marihuana oder andere Hanfprodukte zu sich nehmen.
Das berichten Forscher um Mark Twardowski von den Western Medical Associates in Grand Junction (Colorado, USA) im Fachmagazin «The Journal of the American Osteopathic Association». «Cannabis hat einige Stoffwechseleffekte, die wir nicht verstehen, und die Patienten müssen wissen, dass ihr Cannabiskonsum andere Medikamente möglicherweise weniger wirksam macht», erklärt Twardowski.
Überraschend sei das Ergebnis nicht, sagt Götz Geldner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum in Ludwigsburg. Dass Patienten, die psychoaktive Substanzen wie Alkohol zu sich nehmen, mehr Narkosemittel benötigen, sei unter Anästhesisten schon lange bekannt, erklärt der nicht an der Studie beteiligte Mediziner. In einem von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin empfohlenen Patientenfragebogen wird seit etwa zehn Jahren auch nach dem Drogenkonsum gefragt. Nach Geldners Einschätzung verwenden mehr als 90 Prozent der deutschen Kliniken einen vergleichbaren Fragebogen.
Geldner weist darauf hin, dass genaue Ergebnisse nur mit dem Messen von Substanzen aus der Cannabispflanze im Blut zu erhalten sind. «Wenn die Leber häufig mit Cannabinoiden oder Alkohol zu tun bekommt, steigert sie ihre Entgiftungsfunktion», erklärt er. In der Folge würden auch Narkosemittel schneller verstoffwechselt. Neben Drogen und Alkohol beeinflussen demnach auch Tranquilizer und andere Psychopharmaka die Wirksamkeit von Narkosemitteln.
Seit 2012 können im US-Bundesstaat Colorado Drogen aus der Hanfpflanze (Cannabis) legal konsumiert werden. Auch in neun weiteren Bundesstaaten ist die Einnahme erlaubt. Diese gesetzlichen Änderungen haben dazu geführt, dass der Konsum von Cannabisprodukten in den USA von 2007 bis 2015 um 43 Prozent gestiegen ist. Geschätzt fast 14 Prozent der Erwachsenen haben in diesem Zeitraum Hanfdrogen zu sich genommen.
Twardowski führt an einem Krankenhaus in Grand Junction Darm- und Magenspiegelungen durch. Die Forscher wählten aus 1158 seiner Patienten der Jahre 2016 und 2017 nach dem Zufallsprinzip 250 aus, von denen 25 einen regelmäßigen Cannabiskonsum angegeben hatten. Es folgte ein Abgleich der beim medizinischen Eingriff verwendeten Mengen an Narkosemitteln mit den Angaben der Patienten über die Einnahme von Cannabisprodukten, Alkohol, Benzodiazepinen (etwa in Psychopharmaka) und Opiaten. Nutzer von Hanfdrogen benötigten demnach im Mittel 14 Prozent mehr Fentanyl, knapp 20 Prozent mehr Midazolam und gut 220 Prozent mehr Propofol (44,81 Milligramm statt 13,83 Milligramm).
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(dpa)