Warum Schlafmangel zu Heißhungerattacken führt

Köln – Nach einer kurzen Nacht mit Heißhunger auf Schokolade, Burger und anderes Junk-Food aufzuwachen – dieses Phänomen ist vielen Menschen bekannt. Bislang galt ein gestörter Hormonhaushalt als Grund für den merkwürdigen – und ungesunden – Zusammenhang.

Der «Müdigkeitsappetit» könnte aber auch ganz anders entstehen, wie Forscher der Universität Köln nun im Fachblatt «Journal of Neuroscience» berichten. Sie fanden Hinweise darauf, dass der Schlafentzug das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und die Lust auf fettige Snacks ankurbelt.

Die negativen Auswirkungen von zu wenig Schlaf auf die Gesundheit sind bereits durch mehrere Untersuchungen belegt. So zeigten etwa epidemiologische Studien, dass Menschen mit chronischem Schlafmangel ein erhöhtes Risiko für Adipositas oder Typ 2-Diabetes haben. Als Ursache dafür wurde bisher häufig der Hormonhaushalt gesehen: Zu wenig Schlaf bringe diesen durcheinander, in der Folge werde der Heißhunger auf fettige oder süße Speisen geweckt, so die Annahme.

Ein Team um Julia Rihm, die im Bereich Biologische Psychologie an der Universität Köln forscht, stellte diese Annahme nun auf die Probe. Die Wissenschaftler luden 32 gesunde, schlanke Männer ins Labor ein, wo sie ihnen an zwei Abenden mit mehreren Tagen Abstand ein Abendessen servierten. Danach wurden die Teilnehmer angewiesen, entweder nach Hause und normal ins Bett zu gehen oder im Labor zu bleiben, wo sie wachgehalten wurden.

An den Morgen danach schickten die Wissenschaftler alle Probanden in eine MRT-Röhre. Dort wurde die Aktivität ihres Gehirns aufgezeichnet, während sie eine Aufgabe bearbeiteten: Die Männer sollten erklären, wie groß ihre Bereitschaft ist, für bestimmte Snacks oder für Nicht-Nahrungsmittel Geld zu bezahlen. Zusätzlich wurde ihnen Blut abgenommen, um ihre Hormonwerte zu messen, und sie sollten ihr Hungergefühl auf einer Skala einordnen.

Für Jan Peters, ebenfalls von der Universität Köln und Mitautor der Studie, ist die gemeinsame Analyse dieser drei Faktoren das Besondere an der Untersuchung: «Wir haben sowohl hormonelle Veränderungen als auch den Einfluss auf das Verhalten und Effekte auf das Gehirn erhoben», erklärt er im Gespräch mit dpa.

Dabei stellten die Forscher fest, dass Schlafverlust den subjektiven Wert von Nahrungsmitteln im Vergleich zu Nicht-Nahrungsmitteln erhöht. Obwohl das Hungergefühl in beiden Versuchsgruppen gleich sein sollte, da die Teilnehmer sowohl in der schlaflosen als auch der geruhsamen Nacht die gleiche Zeit ohne Nahrung auskamen, zeigte sich doch ein deutlicher Unterschied: Mit Schlafentzug waren die Probanden gewillter, mehr Geld für Snacks als für Nicht-Nahrungsmittel auszugeben.

«Diesen Effekt konnte man aufgrund der bisherigen Studienlage erwarten», fasst Neurowissenschaftler Peters zusammen. Allerdings seien eben nicht Hormone dafür verantwortlich, wie die Blutanalysen zeigten. Vielmehr zeigten die MRT-Aufnahmen verstärkte Aktivitäten in zwei Gehirnbereich: in der Amygdala, die sich in den Temporallappen des Gehirns befindet und zum limbischen System gehört, sowie im Hypothalamus, der im Zwischenhirn liegt.

Schon eine Nacht Schlafentzug löse hier einen Kreislauf aus, der ein essensspezifisches, neuronales Belohnungssystem in Gang setze, berichten die Forscher. Das Angebot von Snacks wirkte wie ein Belohnungsreiz für die Teilnehmer des Versuchs, auf den das limbische System reagiert und hier eben insbesondere die Amygdala, welche affekt- oder lustbetonte Empfindungen verarbeitet. Warum diese Regionen bei übernächtigten Menschen stärker aktiviert werden, müsse laut Jan Peters in weiteren Versuchen geklärt werden.

Mit Handlungsempfehlungen ist der Wissenschaftler angesichts der Untersuchungsergebnisse zurückhaltend: «Anscheinend ist es im Querschnitt so, dass wenig Schlaf das Risiko für eine ganze Reihe von Gesundheitsproblemen erhöht, zu denen auch Adipositas gehört.» Mit der neuen Studie ergebe sich ein weiterer Baustein zur Erklärung des Zusammenhangs: «Wir sind nun ein Stück dichter dran zu verstehen, welcher Mechanismus auf neuronaler Ebene dieses Verhalten auslöst und welcher vielleicht eher eine untergeordnete Rolle spielt.»

Fotocredits: Peter Kneffel
(dpa)

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