Verfügung einer Wachkoma-Patientin ist wirksam

Karlsruhe – Eine Frau im Wachkoma, über deren Patientenverfügung jahrelang vor Gericht gestritten wurde, darf nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) sterben.

Die Karlsruher Richter wiesen eine Beschwerde ihres Mannes gegen eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Landshut ab, wie das
Gericht mitteilte. Damit setzte sich in letzter Instanz der Sohn der Frau durch: Er ist anders als der Ehemann der Überzeugung, dass seine Mutter ein Ende der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr gewollt hätte (Az. XII ZB 604/15).

Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung: Es ging im Kern darum, wie konkret Menschen für den Ernstfall festhalten müssen, wann sie weiterleben wollen und wann nicht, damit ihre Wünsche auch Berücksichtigung finden. Die Äußerung, «keine lebenserhaltenden Maßnahmen» zu wollen, reicht zum Beispiel in der Regel nicht aus, weil sie viel zu allgemein ist. Im Fall der 1940 geborenen Frau, die vor mehr als zehn Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte, hatte der BGH aber schon Anfang 2017 Zweifel angemeldet, ob die Vorinstanzen von der Patientenverfügung nicht zu viel verlangt hatten.

Seit 2009 eröffnet das Gesetz die Möglichkeit, im Vorhinein schriftlich festzulegen, ob und wie man in bestimmten Situationen medizinisch behandelt werden möchte. Um die Auslegung zu erleichtern, können in der Patientenverfügung auch persönliche Hinweise stehen, zum Beispiel zu den eigenen Wertvorstellungen oder zu religiösen Fragen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz geht davon aus, dass inzwischen jeder Dritte in Deutschland eine
Patientenverfügung hat.

Eine erste BGH-Entscheidung von 2016 hatte den Patientenschützern zufolge viele Menschen verunsichert. In diesem Fall hatte eine Frau verfügt, dass bei einem Dauerschaden des Gehirns «lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben» sollten. Nach einem Hirnschlag stritten die Töchter darum, ob die Mutter weiter künstlich ernährt werden wollte. Dem BGH war die Formulierung als Grundlage zu dünn. Sie enthalte keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung, hieß es damals.

Die Patientin, um die es jetzt ging, hatte sich ganz ähnlich ausgedrückt. Sie lehnte lebensverlängernde Maßnahmen außerdem für den Fall ab, «dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht». Vor ihrem Schlaganfall hatte sie zwei Wachkoma-Fälle im Umfeld miterlebt und mehrere Male Angehörigen und Bekannten gesagt, so wolle sie nicht daliegen, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, lieber sterbe sie. Mit ihrer Patientenverfügung habe sie zum Glück vorgesorgt. Einmal konnte sie nach dem Schlaganfall noch mit ihrer Therapeutin sprechen, damals sagte sie: «Ich möchte sterben.»

Das Landgericht war zunächst der Ansicht, dem lasse sich nicht eindeutig entnehmen, dass die Frau auch eine bereits eingeleitete künstliche Ernährung hätte abbrechen wollen. Dem trat der BGH 2017 entgegen und stellte klar: Selbst wenn ärztliche Maßnahmen nicht ganz detailliert beschrieben sind, kann eine Patientenverfügung konkret genug sein, wenn bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen genannt werden. Ob es noch eine Chance gibt, dass die Frau wieder zu Bewusstsein kommt, lasse sich durch einen Sachverständigen klären.

Das hat das Landgericht inzwischen nachgeholt und das Dokument daraufhin doch für hinreichend bestimmt und wirksam erklärt – dem Experten zufolge sind bei der Frau die Funktionen des Großhirns komplett ausgelöscht. Damit ist umzusetzen, was sie sich für diesen Fall gewünscht hat, Familie und Ärzte müssen sich daran halten.

Für die
Stiftung Patientenschutz macht der Beschluss noch einmal deutlich: «Je konkreter eine Patientenverfügung ist, umso besser. Wenn es keine Auslegungsmöglichkeiten gibt, werden Streitereien überflüssig», erläuterte Vorstand Eugen Brysch. «Daher sollte in der Patientenverfügung immer klar beschrieben sein, bei welcher Krankheit welche ärztlichen Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt werden.»

Fotocredits: Andreas Gebert
(dpa)

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