Warum es sich lohnt, für Beziehungen zu kämpfen

Berlin – Verliebt, ja grenzenlos verliebt ist man am Anfang. Es fühlt sich an, als könne man die Gedanken des anderen lesen. Doch der Alltag kommt. Zunächst schleichend, aber irgendwann hinterlässt er Spuren. Dann stellt sich die Frage, wie glücklich man in der Partnerschaft noch ist.

Ein Beispiel: Er will sie überraschen. Für Samstagabend hat er zwei Karten fürs Theater gekauft und sogar noch einen Tisch im Lieblingsrestaurant reserviert. Doch die Reaktion ist anders als erwartet. Sie will mit ihren Freundinnen weggehen. Er ist maßlos enttäuscht. Und dann der Satz: «Du hast dich total ins Negative verändert, du hast noch nicht mal Zeit für einen netten Abend zu zweit.»

Das ist natürlich maßlos überzogen. Was dahinter steckt: Er oder sie fühlt sich vernachlässigt und hat den Eindruck, nicht mehr die Nummer eins im Leben des anderen zu sein. Auch wenn es sich nicht schön anfühlt – unnormal ist das nicht. «Nach circa einem Jahr ist in einer Partnerschaft die Phase der Verliebtheit vorbei, dann beginnt die erwachsene Beziehungsphase», sagt Maxim Tenenbaum, psychologischer Berater bei Pro Familia in Berlin.

In dieser Phase müssen beide Partner bestimmte Dinge neu aushandeln. «Wichtig ist, miteinander zu reden, und das immer wieder», erklärt der Berliner Psychotherapeut Moritz Ischebeck. Jeder soll seine Bedürfnisse und Wünsche klar formulieren. Dazu können dann auch Vereinbarungen gehören. Zum Beispiel, dass der eine dem anderen immer Bescheid sagt, wenn er sich verspätet. Oder das Paar legt sich einen in der Wohnung aushängenden Kalender zu, damit beide sehen, was der andere an bestimmten Tagen vorhat.

Zu Problemen kann es aber auch kommen, wenn Menschen nur ihre eigenen Bedürfnisse sehen – und nicht die des Partners. Oder wenn einer stillschweigend die Erfüllung seiner Bedürfnisse vom Partner erwartet. Darauf weist der Berliner Diplom-Psychologe Klaus Seifried hin. «In einer Beziehung ist es wichtig, eine Balance herzustellen zwischen den eigenen Bedürfnissen und denjenigen des Partners.»

Und das geht nur über Kommunikation. «Dabei sollte möglichst die sogenannte Vorwurfspistole weggepackt sein», erklärt Tenenbaum. Denn hinter jedem Vorwurf steckt ein Wunsch. Konkret bedeutet das, zu sagen: «Ich fände es schön, wenn du das nächste Mal den Müll mitnehmen und in die Tonne werfen würdest» statt «Du hast schon wieder nicht den Müll mitgenommen und in die Tonne geworfen».

Es kann auch andere Gründe geben, warum einer der Partner in einer Beziehung unglücklich ist. Sie macht zum Beispiel die Finanzplanung – und bezieht ihn nicht ein. Er beteiligt sich kaum oder gar nicht an der Hausarbeit oder am Abholen der Kinder, obwohl beide arbeiten gehen. Das führt zu Enttäuschung, Kränkung oder auch Frust.

Solche Knackpunkte anzusprechen, und eine Lösung für sie zu finden kann mit Hilfe einer Paartherapie gelingen. Denn viele Verhaltensmuster laufen unbewusst ab. «Ein Therapeut nimmt dann eine neutrale Position ein und sieht das Paar von außen», erläutert Seifried.

Voraussetzung ist aber, dass das Paar – und nicht nur einer der beiden – bereit für eine Beratung ist. Egal, ob mit oder ohne Therapie: Partner können nicht nur die Erwartung haben, dass der andere sich ändert. «Vielleicht muss einer lernen, mehr Akzeptanz für das Verhalten des anderen zu entwickeln», sagt Tenenbaum.

Generell kann man Konflikte in lösbare und nicht lösbare einteilen: Ein Mensch, der per se in sich gekehrt ist, lässt sich kaum in einen Partner mit lustigem Naturell verwandeln. Beide können sich aber Strategien überlegen, wie sie damit umgehen wollen.

Reden, Lösungen suchen, verhandeln: Das alles ist anstrengend. Erst wenn das Paar nicht mehr bereit ist, diesen Weg zu gehen und die Gefühle abhanden gekommen sind, führt an einer Trennung meist kein Weg mehr vorbei. Trotzdem lohnt es sich, Beziehungen nicht vorschnell aufzugeben. Denn jede Trennung verursacht psychische Belastungen, hohe Kosten – und die Leidtragenden sind nicht zuletzt die gemeinsamen Kinder. Und eines ist gewiss: Auch in einer neuen Beziehung werden wieder Konflikte auftauchen.

Fotocredits: Christin Klose
(dpa/tmn)

(dpa)

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